Das Gesetz des Irrsinns
unserer Seite aus neu gesichtet und gewichtet werden: 45 Jahre zuvor, Dezember 1761 , hatte seine Stadt beim dritten Ansturm zaristischer Truppen kapituliert. Das »mit Kolberg geschehene Unglück« ausgerechnet im Siebenjährigen Krieg unseres gefeierten Friedrich! K wie Kolberg könnte allzu leicht in Verbindung gebracht werden mit K wie Kapitulation.
Und, in der Folge, mit K wie Kanonenfutter: reichlich junge und reichlich alte Männer sollen, nicht einmal mit Helmen ausgestattet, in das Feuer eines Feindes getrieben werden, der in der Lage ist, bis zu zweihundertfünfzig Artillerierohre pro Frontkilometer aufzubieten. Unter diesem Aspekt: Die bedrohliche Gesamtlage dieses schicksalsträchtigen November 1944 zwingt uns in der Tat, erneut zu überdenken, ob der Führungsrolle des überalterten Nettelbeck im Kolberg-Film nicht dringend Einhalt geboten werden muss.
Wie Hinkel signalisiert, haben Sie mit »Jüppchen« Goebbels ohnehin ein Hühnchen zu rupfen, nach gewissen internen Äußerungen über Ihre »stagnierende Produktivität«; somit dürfte gewährleistet sein, dass Sie den rechten Schwung bei der hiermit angeordneten Attacke entwickeln.
Mit freundschaftlichem und kameradschaftlichem Gruß, Kielpinksi, Ostubaf.
Zur Kenntnis genommen: Kaltenbrunner.
Weiteres Dienstgespräch Dr. G. in Sachen Leonidas-Szene, diesmal mit GFM Keitel im Führerhauptquartier Wolfsschanze (das bald geräumt und gesprengt werden soll, wie zu vernehmen ist. Bereitstellung von mehr als zehn Tonnen Dynamit. Rückverlagerung des FHQ u in das verbliebene Reichsgebiet, vorrangig wohl zum Obersalzberg. Oder gleich zu uns nach Berlin?).
Keitel schien etwas unwirsch. In dieser Angelegenheit sei bereits versucht worden, Jodl in die Pflicht zu nehmen. Der Handlungsspielraum sei aber nun mal extrem eingeengt in dieser Stunde höchster Gefahr.
Worauf Dr. G. mit dem bewährten klassischen Zitat antwortete: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Daran sollten wir uns halten. Halten, nicht klammern! Also, Herr Generalfeldmarschall, für die Nachaufnahme werden, wie bereits avisiert, etwa dreitausend Mann benötigt. Die sollten schleunigst in Marsch gesetzt werden.
Keitel wies, etwas hämisch, auf den Volkssturm hin, den Goebbels jüngst ausgerufen habe und mit Trommelschlag begleite. Mit dem Einstudieren geplanter Kampfszenen könnten die alten Männer gleich auch ihre Grundausbildung absolvieren und sich in Gefechtsbereitschaft versetzen lassen.
Ich verbitte mir solche Sottisen, Herr Keitel! Falls ich bei Ihnen nicht angemessene Unterstützung finde, werde ich mich in der Angelegenheit vertrauensvoll an den Führer wenden.
Das stimmte unseren »Lakaitel« eher kleinlaut. In den Turbulenzen der letzten Wochen sei es ihm nicht gelungen, sich näher mit dem Fall Leonidas zu befassen.
Was Dr. G. zum Anlass nahm für ein kleines Referat.
Keitel erkundigte sich, nun höflich, ob man bereits wisse, wo die deutsche Schlacht an den Thermopylen stattfinden solle.
Professor Harlan hat im Raum Arnstadt und Gotha eine schlechthin ideale Position gefunden: Die Talsenke zwischen Burg Gleichen und Mühlburg. Von den Burghügeln herab kann fast aus der Vogelperspektive gefilmt werden, wie feindliche Truppen in großer Zahl heranbranden und von den zahlenmäßig weit unterlegenen Preußen zum Halten gebracht werden, zumindest zeitweilig.
Keitel daraufhin: Der Anmarschweg von der Heeresgruppe Nord ins Reichsinnere hat sich zwar entschieden verkürzt, es besteht jedoch erheblicher Mangel an Transportmitteln. Die Truppe müsste eventuell auf Fahrrädern anrücken oder die Strecke im Fußmarsch zurücklegen.
Goebbels: Mit ausreichender Marschverpflegung werden sich die Einheiten wohl gern auf den Weg machen. Schließlich werden sie der Feindeinwirkung entzogen. Also, Herr Generalfeldmarschall, ich kann mit Ihrer Unterstützung rechnen bei der Bereitstellung von mindestens drei Brigaden?
Bis die Einheiten für Dreharbeiten verfügbar sind, dürfte es Ende November werden. Da könnten bereits winterliche Witterungsbedingungen herrschen.
Umso besser! Die Belagerung von Kolberg zog sich ja auch über den Winter hin und war erst Juni 1807 beendet. Was, in Analogie gedacht, mit einigem Vertrauen vorausblicken lässt auf einen Juni 45 .
Auszug aus dem Abhörprotokoll eines Ferngesprächs zwischen Generaloberst Jodl im FHQ u hierorts und Veit Harlan, zurzeit bei Dreigleichen.
Jodl bestand vorab auf einer persönlichen Anmerkung. Im Zusammenhang mit
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