Das Gesetz des Irrsinns

eingeschränkt zum Einsatz gelangen.
    Hinkel soll die Evakuierung angeordnet haben?!
    So ist es. Offenbar hapert es mit der Verständigung innerhalb Ihres Hauses.
    Wir sind alle überlastet. Wogegen man beim Filmset diesen Eindruck kaum zu gewinnen vermag. Dort nehmen gewisse Ausflüchte und Ausweichmanöver überhand.
    Es handelt sich eher um Folgeerscheinungen. Außer Bekundungen guten Willens und regen Interesses hat man seitens des Führerhauptquartiers keine weitere Unterstützung erfahren. Die bei Kolberg und Glienicke eingesetzten Truppen sind längst wieder an der Front und zum größten Teil wohl aufgerieben. Neue Truppen will man angesichts der unmittelbaren Bedrohung des Reiches nicht zur Verfügung stellen.
    Kurze Pause. Terzenbach sodann: Der Herr Minister steht mit Jodl in Verbindung. Sollte der mal wieder einen Eiertanz vollführen, wird ihm Doktor Goebbels scharf einheizen. Sollte das nicht fruchten, wird er sich an Keitel wenden. Der wird es dem Führer vortragen, bei der nächsten Mittagslage. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass der Führer sich für die Leonidas-Erweiterung begeistern wird. Also, begeben Sie sich schleunigst an die Arbeit, Herr Braun. Sie schreiben nicht zum ersten Mal für Harlan, da dürfte sich rasch Konsens einstellen. Und Harlan soll sich auf der Stelle zur Vorbesichtigung der reichsdeutschen Thermopylen auf den Weg machen. Richten Sie ihm das aus. Heil Hitler!

    Lieber Kamerad Johst! Ich schreibe Ihnen in Absprache mit RF , der sich für Ihr Schreiben herzlich bedankt, sich derzeit jedoch nicht in der Lage sieht, persönlich zu antworten. Auf gemeinsamen Dienstreisen wie bei Aufenthalten im Feldhauptquartier dürften Sie hinlänglich erfahren haben, in welchem Ausmaß unser Reichsführer ausgelastet, ja überlastet ist. Eine Überlastung, die sich ins RSHA überträgt, so dass ich meine rechte Hand, Kielpinski, gebeten habe, dieses Schreiben gemäß meinen mündlichen Vorgaben auszufertigen. Es geht um ein Stichwort, das Sie in Ihr Schreiben eingebracht haben: Die Rolle, die Joachim Nettelbeck im Kolberg-Film spielt, soweit bekannt nach Begutachtung der Rohschnittfassung in diversen Gremien.
    Sie haben völlig recht in Ihrer Einschätzung einer drohenden Entwicklung, die über den Film gefördert werden soll: Dass in Ergänzung zu Wehrmacht und Waffen- SS gewisse halbmilitärische Verbände gebildet werden sollen, zusammengesetzt aus Männern, die einerseits zu jung, andererseits zu alt sind für regulären Waffendienst. Diese Haufen sollen, nach unseren Erkenntnissen, nicht einmal von Offizieren mit Fronterfahrung geführt werden, sondern von Figuren diverser Parteiorganisationen, vorrangig der SA . Wobei es sich kaum als sinnvoll bezeichnen lässt, dass ein SA -Mann, der in der Kampfzeit seine Mannen in Saalschlachten geführt hat, künftig die Verteidigung einer zur Festung erklärten Stadt (oder zumindest wichtiger Objekte) organisiert und befehligt. So stellt sich das Goebbels als Reichsverteidigungskommissar offenbar jedoch vor.
    RF hingegen ist entschieden der Auffassung: Die Verteidigung des Großdeutschen Reiches kann nur von straff ausgebildeten, gut ausgerüsteten Truppen, allen voran der Waffen- SS , zum Siege geführt werden. Und schon gar nicht von Trüppchen, die nicht mal uniformiert werden können, weshalb sich, wie bereits zu vernehmen ist, einige der alten Herren im Voraus davor gruseln, in Gefangenschaft zu geraten, sie könnten schließlich als Partisanen behandelt, misshandelt, ja liquidiert werden. Es sei denn, so füge ich hinzu, der Feind entwickelt eine Art Mitleid mit Schießbudenfiguren in Galoschen und Gamaschen, womöglich mit Leibbinden und Stützstrümpfen, standfest nur auf Einlegesohlen.
    Auch unter diesen Aspekten: RF möchte auf Ihren vor etwa anderthalb Jahren eingereichten Vorschlag zurückkommen, der Filmfigur Nettelbeck via
Schwarzes Korps
ein Bein zu stellen. Einige Stich-Worte, die unter Ihrer Federführung die Nettelbeck-Blase zum Platzen bringen können: Joachim, Sklavenhändler und Seemann im Ruhestand, Kneipenhocker, Schluckspecht, Schnapsdrossel, 68 Lenze (oder eher: Herbste) zählend, er initiierte die Verteidigung von Kolberg zu einem Zeitpunkt, an dem andere Hafenstädte der Ostsee (wie etwa Stralsund) vor erdrückender französischer Übermacht längst
kapituliert
hatten.
    Der Name Kolberg steht demnach letztlich für eine exemplarische Kapitulation! Was Nettelbeck in jungen Jahren noch miterlebt hatte, es sollte von