Das Gesetz des Irrsinns
spätere Bewertung bedürfen zwei eklatante Fälle der Erwähnung, dies vor allem zur klaren Abgrenzung zwischen FA und RSHA .
Fall eins: Die Gestapo hat den Duce abgehört, und dies, typisch für die SS , mit besonderer Konzentration auf Privates und Intimes – in dem Fall ging es um Mussolinis Liebschaft mit Clara Petacci (offenbar noch immer seine Hauptmätresse). Der damalige italienische Polizeichef, vom RFSS im Zeichen der Achsen-Allianz kooperativ informiert, legte den Geheimbericht umgehend dem Duce vor, der in die Luft ging, sofort den Führer informierte, der gleichfalls in die Luft ging, ja in einen Zustand der Raserei verfiel: er bezeichnete die SS als Schwarze Pest, die er bei nächster Gelegenheit ausradieren, jawohl, ausradieren werde. Und mit sofortiger Wirkung untersagte er jedwede Geheimdiensttätigkeit des RSHA in Italien.
Fall zwei, und der ist von allerhöchster Brisanz: In der Gestapo hat man sogar Nachforschungen über den Führer angestellt! Dies, ich muss das erneut konstatieren, in absolutem Kontrast zu unserem Ehrenkodex!
Die Vermittlung der folgenden Fakten gleicht beinah dem Überreichen einer scharfgemachten Handgranate, und so darf ich zum Prozedere anmerken, dass ich die folgenden Ausführungen nicht Marita diktiere, sondern persönlich tippe, dies mit nur einem einzigen Durchschlag. Der sollte von Dir nach Kenntnisnahme sofort in die Tiefen Deines Panzerschranks versenkt werden, unter erneuter Änderung der Geheimnummer.
Vermittelt (auf absoluter Vertrauensbasis, versteht sich) wurde mir der Vorgang voriger Tage von unserem V-Mann im RSHA . Beim Auswerten und Aussondern von Dokumenten (Stichwort Götterdämmerung) stieß er im Führungs-Panzerschrank des Prinz-Albrecht-Palais auf ein Faszikel, das Heydrich 1937 über Hitler angelegt hatte, dies unter klarer Missachtung zu jenem Zeitpunkt bereits allerstrengster Verbote. Doch er verschaffte sich, wohl Himmler gegenüber, ein Alibi: Sicherung eventueller Urkunden über die intern zuweilen als suspekt bezeichnete Herkunft des Führers, Stichwort: Der möglicherweise jüdische oder jüdisch angehauchte Großvater. Wobei man sich fragen muss, ob Heydrich seiner Großmutter Sarah einen Israel Hitler zur Seite stellen wollte – man weiß ja nie, wofür man sowas mal brauchen kann … Die Untersuchung ist jedoch im Sande verlaufen – oder wurde von Heydrich in den Sand gesetzt.
Da eine erst mal angelaufene Erhebung so leicht nicht zu stoppen ist, erweiterte Heydrich das Faszikel, dies als Nächstes mit der Auflistung der Medikamente, die dem Führer verschrieben wurden.
Noch weiter gehend, damit entschieden zu weit gehend, die Dokumentation der Affaire mit Renate Müller. Wobei generell und speziell daran erinnert werden muss, dass Heydrich in erheblichem Maße vom Geschlechtstrieb bestimmt, ja gelenkt wurde; seine Affairen lösten in den zwanziger Jahren das Disziplinarverfahren aus, dem der Ausschluss aus der Marine folgte. Es ist also nicht auszuschließen, dass Heydrichs Grunddisposition indirekt oder direkt einwirkte auf seine Darstellung der Affaire Adolf Hitler/Renate Müller.
Laut vorliegenden Notizen (auf separatem Blatt!) war es unser kleiner Doktor, der dem Führer 1937 die Bekanntschaft mit der Müller empfahl, ja mehr noch: der sich vermittelnd einschaltete. Als Ansatzpunkt des Führers Vorliebe für Musik und Gesang der leichten Muse – mal abgesehn vom Hausgott Wagner.
Es schien also naheliegend, dass Renate Müller dem Führer nicht bloß empfohlen, sondern ans Herz gelegt wurde. Ihre schlanke, blonde Erscheinung … Die bezaubernd gesungenen Schlager: »Liebe ist ein Geheimnis … Ich bin ja heut so glücklich, so glücklich.« Goebbels hatte tendenziell demnach richtig gedacht und geplant: Dem Führer eine so hinreißende Vertreterin der leichten Muse zur Seite zu stellen, ja, ihm – mit Verlaub – unterzuschieben.
Was allerdings einen anderen Verlauf nahm als gedacht, geplant, dies jedenfalls in der von Heydrich paraphierten Aufzeichnung nach einem Verhör der Müller. Mit Blick auf Heydrichs sexuelle Obsession halte ich es für denkbar, dass er unter Anwendung seelischen und sonstigen Drucks der damals Dreißigjährigen etliche Details entlockt oder aus ihr herausgepresst hat.
Hitler zeigte sich interessiert an Dreharbeiten zu einem Film von Willy Forst, kam mit der Hauptdarstellerin näher ins Gespräch, sie zogen sich in ihr Hotelzimmer zurück, entkleideten sich. Offenbar war die hüllenlose
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