Das Gesetz des Irrsinns
stichprobenhaft ihre fiktiven Schreiben mit authentischen Briefen.
In sporadisch aufflackernder Begeisterung für Texte der Bettine (weniger für ihre Kompositionen, noch weniger für ihre Zeichnungen) habe ich schließlich ein Lesebuch zusammengestellt, mit überleitenden, kommentierenden Zwischennotizen. Wortführend aber bleibt Bettine von Arnim.
Dieser Falter ist eine Fälschung! Eine Geschichte mit dem nachweisbaren Charles Darwin auf dem nachweisbaren Schiff
Beagle
unter dem nachweisbaren Kapitän Fitzroy. Und der übernimmt die Wortführung – jede der sieben Geschichten wird in der Perspektive
einer
Person erzählt. Hier nun spricht der Kapitän über ein Phänomen, das selbst Botaniker und Zoologen (dem Prinzip Evolution verpflichtet) fasziniert und irritiert: Mimikry. Spielformen statt Entwicklungszwängen? Was auch das (keineswegs gefälschte) Zitat von Nabokov bezeugt.
Vorab: Die Beispiele, die Fitzroy anführt, sind authentisch – einige konnte ich als Schmetterlingspräparate (unter Glas) vergleichen: frappierend präzise Imitationen!
In diesem Exkurs: nicht bloß Verifizierung der Beispiele der Geschichte, sondern Erweiterung durch Dokumentation. Dabei folge ich erst einmal dem Aufsatz »Mimikry: Nachahmung und Täuschung im Pflanzenreich«. Eine Publikation der Bonner Universitätsblätter ( 1992 ). Einen Sonderdruck überreichte mir Wilhelm Barthlott nach einem unserer Bonner Gespräche während meiner Vorarbeiten zur Biographie über Maria Sibylla Merian. Professor Barthlott öffnete dazu seinen Diaschrank im Institut, ich konnte einige der (vielen tausend) Fotografien bestaunen, die er auf Forschungsreisen zumeist in südamerikanischen Regenwäldern gemacht hatte. Fotos auch von exemplarischen Fällen der Mimikry – in der Publikation im Farbdruck wiedergegeben.
Einleitend wird das interaktive Dreieck abgesteckt: Hier
Vorbild
, dort
Nachahmer
; es kommt hinzu der (auf diverseste Weise getäuschte)
Signalempfänger
, meist als Fressfeind (oder als unfreiwilliger Bestäuber).
Ich kann in diesem Werkbericht allerdings nur knappe Hinweise bringen, frei formuliert. So verzichte ich auf genaue (lateinische) Bezeichnungen.
In der Namibwüste beklebt sich ein kleines Mittagsblumengewächs mit Sandkörnern, macht sich damit fast völlig unsichtbar … Manche Passionsblumen reihen auf ihren Blättern symmetrisch geordnete, klar konturierte Punkte, täuschen damit Schmetterlingen vor, hier seien bereits Eier abgelegt, dies als Signal: Fliegt weiter, für eure Raupen wird es hier nichts mehr zu fressen geben … Von einer anderen Pflanze werden mit farbigen Sekretkügelchen Schmetterlingsgelege vorgetäuscht mit der gleichen Botschaft: Alles belegt, weiterfliegen … Im Unterwuchs von Regenwäldern kleine Baumstämme mit Krustenflechten: ungenießbar; in ihrer Nachbarschaft ein Aronstabgewächs von fleischiger Substanz, zum Verzehr eigentlich verlockend, doch es kaschiert sich durch einen ähnlich dicken Stamm, »und der Flechtenbewuchs ist in allen komplizierten Details (inclusive Überlappungen) durch eine Zeichnung imitiert« …
Zum Abschrecken das Anlocken von Bestäubern: Hier wird im Pflanzenreich an Erfindungen wahrhaftig nicht gespart! In einer weit und lockend geöffneten Blüte ist ein kleiner Hutpilz nachgeahmt, der Pilzmücken anlocken soll … In einer Dracula-Orchidee wird ein falscher Pilz sogar mit präzis nachgebildeter Lamellenstruktur ausgestattet …
Als drittes und krönendes Beispiel: die Schmetterlingsorchidee
Psychopsis papilio.
Im Begleittext zu seiner Fotografie schreibt Barthlott: »Sie hängt ihre Blüte an meterlangen Stielen schaukelnd im Kronenbereich der Regenwälder Kolumbiens auf und wird von Schmetterlingen attackiert (und dabei bestäubt), die sie für einen Eindringling in ihr Revier halten.«
Hier doch mal die genaue lateinische Bezeichnung, denn: Dies ist die Wunderpflanze, die in der ersten Geschichte erwähnt wird, wenn auch nach Ceylon verpflanzt. Wie alle Pflanzen nicht nur farbenblind, sondern völlig blind, imitiert sie in Form und Farbe mit äußerster Präzision eine bestimmte Schmetterlingsart und ›kommt sogar noch auf die Idee‹, an meterlangem Stängel hoch über Baumkronen im Winde zu schaukeln, womöglich im Zuck- und Gaukelflug von Faltern, die sich angelockt, ja, herausgefordert fühlen und bei der Attacke den Träger der »Signalkopie« ahnungslos bestäuben.
Naturwissenschaftler haben für Mimikry die unanfechtbare Erklärung parat:
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