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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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fast allen Formen elaborierter Mimikry?
    Womit ich denn zu Wicklers Monographie zurückkehre, meiner Lesespur, meinen Randmarkierungen folgend.
    Mimikry zur Tarnung. Ein Plattfisch legt sich flach auf sandigen Grund und bildet im Verlauf einiger Stunden die Formen und Farben ihn umgebender Sandkörner nach, ist schließlich bei genauester Musterung nicht mehr vom Ambiente zu unterscheiden. Selbst wenn die Augen des Plattfischs bedeckt bleiben: die Abstimmung wird perfekt. Wie mag da programmiert worden sein?
    Vieles wirkt frappierend. Die Larve des ziegelroten Blattkäfers (Lilienhähnchen
Crioceris lilii
), auf das Verspeisen von Lilienblättern fixiert, sie produziert dunkelgrüne Kotkügelchen, lädt die sich auf den Rücken, und so sieht ein potentieller Fressfeind »nur Kothäufchen an der Pflanze«.
    Und eine Spinne legt Attrappen an. Im feinen Gespinst ihres Radnetzes zentral die Warte, leicht zu orten für hungrige Vögel. Um die abzulenken, in die Irre zu führen, legt die asiatische Spinne
Cyclosa mulmeinensis
zwei, drei oder mehr »Pseudowarten« an im Netz. Je mehr solcher Spinnfadenknäuel, desto größer die Aussichten für die Spinne, einen anfliegenden Vogel auf ein Scheinziel abzulenken und rechtzeitig entfliehen zu können. Anthropomorph formuliert: eingeplante Statistik.
    Die Fragen, vor die meine (nicht allzu sehr gefälschte) Geschichte stellt, sie sollen noch stärker akzentuiert werden. Also weitere Beispiele. Wenn sie nicht zusätzlichen Erkenntnisgewinn garantieren, so zumindest Lustgewinn.
    Ein Käfer, Kurzflügler, lebt in Termitenbauten und trickst. »Er trägt seinen eigenen Hinterleib nach vorn über sich geklappt, und dieser Hinterleib ähnelt verblüffend einem Termitenarbeiter, denn er hat bein- und fühlerartige Anhänge und erzeugt überdies in besonderen Drüsen Sekrete, die von Termiten abgeleckt werden. Termiten sind blind. Können sie Formen so genau ertasten, dass eine solche Imitation sich lohnt?«
    Beispiele locken Beispiele an. Als Leser naturwissenschaftlicher Beilagen vor allem der Süddeutschen und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung werde ich wiederholt mit neuentdeckten Versionen der Mimikry konfrontiert, delektiert.
    Zum Beispiel: Der Lungenenzian-Ameisenbläuling lässt sich als Larve von der Roten Gartenameise in ihren Bau schleppen, lässt sich aufpäppeln, bis er groß genug ist, um unfreiwillige Gastgeber aufzufressen, in Tateinheit. Der Trick beim Transfer: Die Larve entwickelt den gleichen Geruch wie die Ameise, wird damit anerkannt, ja, die Geruchsnote programmiert besonders gute Pflege. Nun produziert die Falterlarve allerdings keine evolutionär bewährte Geruchskonstante, es herrschen vielmehr »deutliche Unterschiede von Ort zu Ort«. Demnach findet jeweils Feinabstimmung der Geruchskomponenten statt, je nach olfaktorischen Gegebenheiten des Reviers.
    Dies auch bei der (alpennahen) Breitblättrigen Stendelwurz: Die Orchideenvariante imitiert oder kopiert Duftstoffe, wie sie manche Pflanzen freisetzen, sobald sie von Raupen angefressen werden; diese Duftstoffe als Lockmittel für Wespen, die fettes Raupenfutter erwarten, stattdessen die Bestäubung durchführen. Stendelwurz imitiert den Alarm- und Ruf-Duftstoff in derart genauer Abstimmung auf regionale Valeurs, dass sie mit Sicherheit angeflogen und bestäubt wird. Auch hier wäre, laut Kommentar, Darwin in »Erklärungsnot« geraten.
    Denn wieder einmal stellt sich die Frage: Wie wird im Reich der Mimikry wahrgenommen, analysiert, wie wird umgesetzt, feinjustiert?
    Noch einmal zur optischen Täuschung, ja Fälschung: Kontur- und Farbmuster von Schmetterlings-Imitaten sind derart präzis entwickelt, dass solche Differenzierungen von Fressfeinden kaum wahrgenommen werden können. Die reagieren eher auf Signale von Farben und ungefähren Konturen, lassen sich rasch anlocken oder abschrecken. Es genügt schon ein schwarzgelb gerippter Insektenleib, um einen Vogel abschwenken zu lassen. Zwischen einem nicht schmeckenden Original und der schützenden Kopie einer eigentlich schmackhaften Ähnlichkeit lässt sich kaum unterscheiden im kurzen Moment des Anflugs. Das Objekt der Begierde wird nicht erst studiert, bevor gefressen oder verschmäht wird. Wozu dann aber millimetergenaue Imitationen von Konturen und Formen, dies in subtilsten Farbabstimmungen?
    Schmetterlingskopien gleicher Form und Couleur können regional sogar ein wenig unterschiedlich ausfallen. Das haben neuere Untersuchungen ergeben. So wird ein Rot

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