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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Truthahnpastete oder Brombeerpastete? Doch ich war in dieser Richtung fürs Erste nicht weiter disponiert. Und so machte Albert dem obsessiv sammelnden Bruder die Meldung, zur Zeit sei kein weiteres Stilleben vergleichbaren Ranges auf dem belgischen oder niederländischen Markt.
    Es schloss sich ohnehin eine Zwangspause an in der Vermittlung und Übermittlung: Albert wurde (wieder einmal) verhaftet. Den genauen Grund weiß ich in diesem Fall nicht, aber ich kenne seine oppositionelle Grundhaltung.

    Wiederholt beteuerte Albert, was ich durch Wiederholung betonen muss: Seine Beziehungen zu Hermann als Bruder seien gut, zum Staatsmann Göring hingegen gespannt. »Ich habe einen Bruder in Deutschland, der sich mit diesem Bastard Hitler eingelassen hat und mit dem es ein böses Ende nehmen wird, wenn er so weitermacht.«
    Ähnlich gespalten wiederum die Haltung von Hermann dem jüngeren Bruder gegenüber: familiäre Bindung, das ja, aber sonst? Hermann hielt Albert vor, er habe keine Ahnung von Politik, ja, es fiel schon mal die Äußerung: »Du bist ein politischer Idiot.« Unabhängig davon sahen sie sich im Schnitt alle drei bis sechs Monate. Schlagabtausch und Schulterklopfen wechselten sich ab.
    Das Hohe Gericht wird sich fragen, warum ich Albert Göring in diesem Bericht soviel Raum gewähre. Da möchte ich hervorheben, was sich letztlich schon ablesen lässt: Ohne die Begegnung mit ihm, ohne die daraus erwachsende Kooperation, ja schließlich Freundschaft hätte mein Leben, hätte mein Schaffen eine andere Richtung genommen, und ich säße nicht in Untersuchungshaft.
    Die Geschichte erspart uns auch nicht die dümmsten Pointen: Wie ich einer Pressenotiz entnehme, sitzt Albert zur Zeit im selben Nürnberger Gefängnis wie Hermann Göring, wenn auch sicherlich in einem anderen Trakt. Zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten. Albert als Feind der Nazis von vornherein; der »ganze Naziärger« als Grund, weshalb er die österreichische Staatsbürgerschaft annahm, weshalb er nach dem »Anschluss« Richtung Italien auswich, zur Filmgesellschaft, sodann in die Tschechoslowakei überwechselte.
    Ich habe den Eindruck, dass Albert vor allem wegen des Familiennamens von den Alliierten in Haft genommen wurde – obwohl er, wie sich gewiss nachweisen lässt, dreißig bis vierzig Juden das Leben gerettet hat, indem er ihnen den Weg in die Emigration erleichterte oder eröffnete. Dies zuweilen mit halben Fälschungen: Auf Briefbogen der Hermann-Göring-Werke unterschrieb er Petitionen, ja, Anweisungen schlicht mit »Göring«; auf diese Weise gelang es ihm sogar, Mitarbeiter aus Konzentrationslagern herauszuholen.
    Sowas schürte wiederum den Konflikt zwischen den Brüdern, verschärfte zumindest den Umgangston; letztlich aber obsiegte der Familiensinn. Hermann ließ den jüngeren Bruder gewähren, wenn auch mit grimmigen Kommentaren. Es wurden ja auch immer wieder einvernehmliche Absprachen notwendig zwischen dem nominellen Chef der Hermann-Göring-Werke und dem Vorstandsmitglied und Exportleiter des Skoda-Konzerns: Rüstungsproduktion.

    Sommer 39 reiste ich mit meiner damaligen Gefährtin nach Griechenland, per Schiff ab Venedig. Eingeplant war ein Besuch bei Albert Göring, der sich wieder mal in Athen aufhielt. Neben Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien gehörte Griechenland zu seinem, wie er ironisch sagte: »Einzugsgebiet«.
    Auf unserem Programm stand indes: Verfressen und Versaufen von Provisionen. Die erhielt er vor allem für den Verkauf von Friedensgütern: Motoren, Krananlagen, Lokomotiven … Er verriet uns, alkoholisch gelöst, sein »Betriebsgeheimnis«: Er war fest entschlossen, mit Blick auf den offenbar unvermeidlichen, nah bevorstehenden Krieg, die Produktion für die Wehrmacht zurückzufahren, und zwar um mindestens zehn Prozent. Jetzt schon erklärte er bei Anfragen aus Berlin, Skoda habe zur Zeit keine Kapazitäten frei, auch nicht für die erwünschten Teillieferungen von Panzern. Auch müsse die Entwicklung einer neuen Flak, im Volltext: eines Flugabwehrgeschützes, auf Grund gravierender technischer Probleme eingestellt werden.
    Gewichtige Aussagen, die betont leichtgewichtig daherkamen. Denn eigentlich sangen wir lieber gemeinsam: »Ich bin ein Fischsalat/In einem Silikat.« … Ich trug auch schon mal ein Chanson vor in unserer zweiten Landessprache.
    Dann aber auch ein Gespräch unter vier Augen: Nicht mehr vorrangig über die Vorzüge molliger Frauen, eher

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