Das Gesetz des Irrsinns
gewinnen, schlugen fehl. So glaubte er, alleine seiner »Mission« folgen zu müssen, und brach auf. Marga kehrte zu den Eltern zurück.
Das war hocherwünscht. Denn als Folge der Weltwirtschaftskrise musste Margas Vater (»Epstein-Textilien«) drei der fünf Verkäuferinnen entlassen, war damit verstärkt auf die Hilfe der einzigen Tochter angewiesen, ebenso auf seine Frau – auch sie war geschickt im Umgang mit Nadel und Faden.
Und Marga lernte ihren zweiten Mann kennen. Das könnte sich so ergeben haben: Epstein senior vermittelte preisgünstig Kostüme an die Tanztruppe eines Karnevalsvereins, und »Rudi« half gelegentlich aus beim Anpassen, Ändern. Er war Kostümschneider im Düsseldorfer Schauspielhaus. Keine Auseinandersetzungen mehr im Hause Epstein wegen jüdischer Denkweisen und Verhaltensmuster: Marga als Feiertagsjüdin, Baring als Feiertagskatholik.
Die Hochzeitsreise der Marga Epstein nach Norwegen in Rudolfs Opel »Wanderer«. Auf dem Rücksitz das zusammengelegte Zelt: Hotels konnten sie sich nur in Ausnahmefällen leisten. Mitgeführt auch das zerlegte Klepperboot: Leihgabe der Mutter.
Fahrt durch Norddeutschland und das ebenso flache Dänemark. Zwischenaufenthalt in Lökken.
Anmerkung: Da wir Deutschen in mehreren europäischen Ländern zur Zeit äußerst unbeliebt sind, dürften Filmaufnahmen in Dänemark kaum möglich sein; der Strand bei Lökken könnte ein Pendant finden bei St. Peter-Ording. Auch die Einreise nach Norwegen dürfte derzeit äußerst schwierig sein, könnte sogar verweigert werden. Als Ausweichmöglichkeit: einer unserer langgezogenen Stauseen, meist von Wirtschaftswegen, Forstwegen begleitet – hier könnte Uferlandschaft von Fjorden simuliert, suggeriert werden.
Zum weiteren Ablauf der Norwegentour: Um an Fjorde zu kommen, die auf der Karte recht nah beieinanderzuliegen scheinen, musste gefahren, gefahren, gefahren werden. Kurvenreiche Strecken oder, wie Baring gesagt haben dürfte: »kurbelreiche Strecken«. Straßen mit feinem Schotter; Sandpisten, oft rubbelig wie ein Waschbrett. Die Pisten recht schmal – nur haarscharf kamen zwei Automobile aneinander vorbei. So blieb man schon mal auf gleicher Höhe stehn: Autowanderer, die aus dem Norden kamen, bekundeten Begeisterung über die Berg- und Wasserlandschaft, ja »Märchenwelt«!
Gatter, wiederholt Gatter auf der Straße; es ist Margas Aufgabe, sie zu öffnen, zu schließen. Schwingt sich hinaus, öffnet das Viehgatter, lässt Rudolf durchfahren, schließt das Gatter, schwingt sich auf den Sitz, und bald schon das nächste Holzgatter, sie wieder raus, Gatter auf, Gatter zu, rein in den Wagen.
Die Reisegeschwindigkeit zusätzlich gedrosselt durch Ausweichmanöver. Einmal ist Rudolf gezwungen, die Grasnarbe zu überqueren, die ihre Piste begleitet, schon sitzen sie fest, zwar nicht im sprichwörtlichen Straßengraben, doch in sanfter, feuchter Senke. Ein Norweger hält an, macht sie mit der »eisernen Regel« norwegischen Straßenverkehrs bekannt: Nie über die Grasnarbe hinausfahren, dort wird es weich, dort sinkt man ein. Nach der freundlichen Belehrung: Anlegen des Abschleppseils; mit einem Ruck kommen sie wieder flott.
Marga wieder und weiterhin als »Tor-Frau«: rausgesprungen, Holzgatter beiseitegeschwenkt, Holzgatter zugeschoben, festgemacht mit der Drahtschlaufe, rein ins Auto. Die Norweger haben kein Vatterland, so kalauerte Rudolf, sie haben ein Gatterland. Zum Gatterland das »Platterland«.
Fahrt weiter auf verdächtig spitzem Splitt und in einer Kurve das verdächtige Floppfloppflopp eines Reifens. Rudolf ernennt sich zum Diplom-Radwechsler.
Als während der Fahrt einem weiteren Reifen die Luft entweicht, muss der Schlauch fern von jeglicher Werkstatt geflickt werden, an einem Gewässer, das aus dem Schlauch austretende Luftblasen sichtbar macht. Marga raut die Schadstelle auf, klebt den Gummiflicken drauf. Anschließend die gemeinsamen Anstrengungen, den Reifen wieder auf die Felge zu ziehen.
Eine kleine Natur-Plattform über dem Wasser. Der Wagen wird abgestellt, sie machen Feuer; Holz liegt reichlich herum. Eigentlich müsste Rudolf nun stilgerecht einen mehrpfündigen Fisch angeln, aber das hat er in Düsseldorf nicht gelernt, keine Anglerlizenz, so kommen Kartoffeln in die heiße Asche. Und ein Stück Schinken zurechtgelegt, ein Batzen Käse. Brot geschnitten und eine Gurke. Kauen mit Blick aufs Wasser, das umrahmt ist von Hügeln. Nach dem Picknick entschließen sie sich, an Ort und Stelle
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