Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
zu sein schienen. Bewusst hatte sie von Keri gesprochen, um die anderen an die unglückliche Verkettung von Umständen zu erinnern, die zu diesem Verbrechen geführt hatte.
»Es hat uns nicht gefallen, so zu handeln, aber es war nötig«, erklärte Oda. »Auch die Menschen aus der Außenwelt hätten ihreLeute gerächt. Bei ihnen kommt es häufig vor, dass eine Frau belästigt wird. Und vergesst nicht – sie verachten die Ta-Shimoda. Für sie ist eine Asix weniger als Nichts. Bei einer Verhandlung hätten sie Keri gar nicht erst zugehört. Ihr alle wärt für den Rest eures Lebens ins Gefängnis gekommen.«
Tichaeris pflichtete ihm bei, auch wenn sie nicht genau wusste, was ein Gefängnis war. Dann wandte sie sich dem Jungen zu, der den Hauptalarm ausgelöst hatte, und fragte:
»Hattest du irgendwelche Probleme? Wie ist es gelaufen?«
»Ich glaube, alles lief wie geplant. In dem Durcheinander haben sie noch nicht einmal bemerkt, dass Soldaten fehlen. Glücklicherweise ist noch Nacht. Sie werden bestimmt nicht vor morgen früh nach ihnen suchen. N’Tari kann sich noch keinen Reim darauf machen, was passiert ist, und sobald in der Schleuse wieder normale Druckverhältnisse herrschen, will er persönlich mit seinem Ersten Offizier den Schlussmechanismus prüfen, statt nach uns zu rufen. Zum Glück habe ich daran gedacht, die Sicherheitsvorrichtung der äußeren Falltür zu entfernen. Das macht die Wahrscheinlichkeit, dass die Vergewaltiger die Tür selbst von innen geöffnet haben, sehr viel größer.«
»Aber das war extrem gefährlich!«, rief einer der anderen. »Die Tür hätte sich beim kleinsten Ruck öffnen können, während du noch darin warst.«
»Zumindest der Alarm hätte geläutet«, antwortete der junge Mann, der ein Zittern in seiner Stimme nicht unterdrücken konnte.
Tichaeris wandte sich ihm zu. »Wie heißt du? Alle nennen dich hier ›der Junge‹.«
»Das liegt daran, dass ich der Jüngste bin. Außerdem heiße ich ebenfalls Tor, und man möchte nicht, dass es zu Verwechslungen kommt.«
»Du bist sehr mutig, junger Tor.«
»O nein, Tichaeris Adaï, ich habe Todesängste ausgestanden.«
»Nur Dummköpfe haben keine Angst. Der wahre Mut besteht darin, seine Ängste zu überwinden«, erklärte Oda ein wenig oberlehrerhaft, indem er einen der Grundsätze der Akademie zitierte.
»Möchtest du die Hängematte mit mir teilen, junger Tor?«, fragte Tichaeris.
»Ja, Shiro Adaï«, antwortete er und lächelte bis über beide Ohren.
Zumindest ein Asix, der die Nacht durchmacht – allerdings nicht, um die Ereignisse aufzuarbeiten, dachte Suvaïdar.
Sie tranken den Tee. Dann stellten sie die beweglichen Zwischenwände auf, die ihre Kabinen voneinander abgrenzten. Tichaeris zog sich in ihre Kabine zurück, und der junge Tor folgte ihr auf dem Fuße. Die anderen schauten den beiden hinterher und mussten lächeln.
»Ausgezeichnete Idee«, bemerkte der andere Tor. »Er ist zu jung. Es wäre besser gewesen, er wäre nicht in die Sache verstrickt worden. Leider hatte er gerade Nachtwache, als sich der Vorfall ereignete.«
»Ist sonst noch jemand im Maschinenraum?«, fragte Oda.
Einer der Raumfahrtbegleiter nickte und erklärte: »Ich gehe wieder dorthin. Wenn sich bei einem Wachrundgang nichts ereignet, darf man seinen Posten verlassen, um sich etwas zu essen zu holen oder einen Augenblick zu entspannen. Wenn aber der Alarm ertönt, sollte ich besser auf meinem Posten sein, auch wenn der Kommandant das normalerweise nicht kontrolliert.«
»Dann geht jetzt und denkt nicht weiter über das Geschehene nach! Ihr habt nur unseren Befehlen gehorcht. Die Verantwortung liegt ganz und gar bei uns.«
Oda und Suvaïdar blieben allein mit Keri, die dank des Schlafmittels immer noch friedlich schlummerte. Jetzt, wo die Asix nicht mehr da waren, konnte Suvaïdar sich endlich erlauben, ihre selbst auferlegte Selbstbeherrschung abzulegen. Sie fröstelte und lehnte sich an ihren Bruder, der die Arme um ihre Schultern legte. Oda war die Ruhe selbst und völlig beherrscht, und Suvaïdar fragte sich, ob es das erste Mal gewesen war, dass er jemandem das Leben genommen hatte. Doch sie war nicht so indiskret, ihn zu fragen, ob er in einem seiner Duelle einen Gegner schon einmal schwer verletzt oder gar getötet hatte. Stattdessen sagte sie:
»Ich bin wirklich nicht Shiro genug. Die Vorstellung, jemandenzu töten, habe ich bis heute nicht akzeptieren können. Bitte, schlaf heute hier.«
Ihr Bruder bekundete mit einem
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