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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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Lara wurde Suvaïdar, aus Wang Micha’l.
    »Von nun an müsst ihr ausschließlich der Alten eures Clans, dem Rat und mir gehorchen«, erklärte Haridar Sadaï. »Ansonsten seid ihr frei. Ich überlasse euch eurer eigenen Verantwortung. Ihr werdet feststellen, dass es sehr viel schwieriger ist, erwachsen als heranwachsend zu sein. Von heute an seid ihr für alle Asix verantwortlich, die euch um Hilfe bitten, selbst dann, wenn sie einem anderen Clan angehören. Von heute an habt ihr das Recht, von all denen, die noch nicht erwachsen sind, Gehorsam einzufordern. Ihr dürft sie bestrafen, wenn es sich als nötig erweist, aber ihr müsst gerecht vorgehen. Kein anderer Erwachsener kann euch zur Rechenschaft ziehen, was eure Weisungen betrifft, und niemand hat das Recht, eure Bestrafungen in Frage zu stellen. Wir anderen Shiro werden euch allenfalls im Fechtsaal zur Rechenschaft ziehen. Also vergesst nicht: Von heute an kann jeder, den ihr herausfordert, die Blutklingen wählen.«
    Micha’l blickte seine berühmte Mutter offenen Mundes an. Trotz eines Augenaufschlags ließ sie nicht erkennen, ob sie darüber Bescheid wusste, dass zwei der frisch gebackenen Erwachsenen ihre eigenen Kinder waren. Sie zeigte sich nach außen hin distanziert und kühl, gratulierte den erfolgreichen Prüflingen nicht einmal und erzählte auch nicht, wie es Rico und dem anderen Jungen ergangen war, die man ins Lebenshaus gebracht hatte.
    Am Tisch durften sie sich zum ersten Mal zu den Erwachsenen setzen. Es dauerte nicht lange, und selbst die Begriffsstutzigsten unter ihnen hatten die unangenehmen Anspielungen in Haridars Rede verstanden. Sowohl die Sadaï als auch ihr persönlicher Berater besaßen einen bösartigen Humor – vor allem der Berater, der für seinen schwierigen Charakter bekannt war und auf eine Vielzahl siegreicher Duelle zurückblicken konnte. Am Tisch warf er bedeutsame Blicke um sich, als würde er nach dem erstbesten Vorwand suchen, um die Mahlzeit im Fechtsaal ausklingen zu lassen.
    Die jungen Leute machten weder Späßchen, noch fanden zwischen ihnen heitere Gespräche statt. Alle hüteten sich davor, irgendetwas zu tun oder zu sagen, was als Angriff gedeutet werden könnte. Sie begnügten sich damit, ein paar Höflichkeitsfloskeln auszutauschen und sich ansonsten streng an die Etikette zu halten. Die meiste Zeit hüllten sie sich in Schweigen und wagten es nicht einmal, Wein zu trinken, den sie von nun an bei Tisch genießen durften, aus Angst, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren.
    Auch unter den Erwachsenen kam die Unterhaltung nicht so recht in Gang. Die Sadaï sagte kein Wort, und nach und nach schien sich ihre schlechte Laune auf die ganze Tischgesellschaft zu übertragen. Schließlich erhob sie sich von ihrem Platz, verabschiedete sich mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfnicken und ging in ihr Zimmer. Ihr Berater folgte ihr wie ein Schatten.
    Erst jetzt hellte die Stimmung sich ein wenig auf, und Saïda wagte es, sich der Jestak zuzuwenden und sie zu fragen, ob es Neuigkeiten von Rico gäbe.
    »Keine guten«, antwortete die Jestak einsilbig.
    Obwohl alle gespannt waren, mehr über Rico zu erfahren, erzählte die alte Ärztin nichts weiter. Das Gespräch schleppte sichnoch ein wenig dahin und kam dann zum Erliegen. Erleichtert atmeten die Jungen auf, als die Alten aufstanden und kleine Gruppen bildeten, um sich zu unterhalten oder sich zum Schlafen zurückzuziehen, obwohl die Sonne noch nicht aufgegangen war.
    Die von allen lang ersehnte erste Nacht im Status eines Erwachsenen verlief mehr als enttäuschend. Nicht nur für Wang-Micha’l, der so ungeduldig darauf gewartet hatte, seine Mutter aus nächster Nähe sehen zu dürfen, auch für alle anderen. Deshalb waren sie glücklich, als sie sich endlich in die Schlafräume zurückziehen konnten, die man ihnen zugewiesen hatte.
    Suvaïdar und ihre Sei-Hey blieben noch eine Weile beisammen, um zu plaudern. Sie bewunderten gegenseitig ihre Tätowierungen und schauten sich heimlich die kurzen Haare der anderen an, um sich ein Bild davon zu machen, wie sie selbst mit kurzem Haar aussehen würden.
    »Ich würde mich gern im Spiegel sehen«, sagte Rin zu den anderen und lächelte sie an, denn seine unschuldige Eitelkeit passte so gar nicht zur frischen Würde eines erwachsenen Shiro.
    Seine Kameraden sagten nichts, doch sie verspürten offensichtlich den gleichen Wunsch.
    In der Morgendämmerung schlüpften sie unter die Betttücher, doch die Aufregung hielt sie noch

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