Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
der Zeit, sie wieder in Form zu bringen.«
»Wozu in Form bringen?«, fragte ihn Seine Exzellenz. »Wenn ich mich nicht irre, müssen sie doch nur der protokollarischen Eskorte dienen.«
»Dieses Land ist unzivilisiert. Es könnte sein, dass die Einheimischen rebellieren.«
»Möglich, aber auf mich machen sie eher einen friedlichen Eindruck. Schauen Sie sich nur das Personal an, das für uns arbeitet, es ist beinahe schon phlegmatisch.«
»Auch ihnen könnte ein bisschen militärische Disziplin nicht schaden.«
»Das wäre gar keine so schlechte Idee«, murmelte der Botschafter.
Doch Ida Soener, die bereits seit acht Jahren auf Ta-Shima lebte und entsprechende Erfahrungen mit den hiesigen Menschen hatte, widersetzte sich energisch der Idee, die gemächliche Routine in der Botschaft radikal zu verändern. »Wir würden damit nur erreichen, dass unser Personal die Flucht ergreift«, sagte sie.
»Aber es sollte doch kein Problem sein, neue Leute zu finden.«
»Sie zu finden nicht, aber sie auszubilden. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Unser jetziges Personal spricht ein wenig Galaktisch, zumindest verstehen sie unsere Anweisungen.«
»Warum stellen wir eigentlich niemanden ein, der die Universalsprache spricht?«
»Wenn Sie einen finden, stellen Sie ihn ein, aber ich glaube nicht, dass es in ganz Schreiberstadt auch nur einen Asix gibt – abgesehen von dem alten Wagenlenker –, der die Sprache beherrscht.«
»Die Dinge werden sich ändern, wenn wir erst einmal unser Standardprogramm zur Alphabetisierung der Massen aufgebaut haben«, sagte Rasser überzeugt. »Ich verstehe nicht, warum mein Vorgänger das nicht schon gemacht hat.«
»Oh! Sie haben doch ihre Schulen, und sie können alle lesen und schreiben. Von wie vielen Bewohnern in den Elendsvierteln Neudachrens können wir das behaupten?« Botschafter Coont hatte versucht, eine kleine Unterrichtseinheit für die Kinder des Hauspersonals ins Leben zu rufen, aber ohne große Ergebnisse. Sie zogen es vor, dass ihre Kinder gemeinsam mit den Ta-Shimoda zur Schule gingen.
Obwohl man sie wegen ihrer barschen Art nicht zweifelsfrei für eine Aristokratin halten konnte, erwies Ida sich als sehr nützlich. Ihr gehorchten die Einheimischen sehr viel besser als allen anderen Bewohnern der Botschaft. Und sie kannte den Planeten gut. Als Arsel sich über die schwüle Hitze beklagte, die ihre Kleidung an der Haut kleben ließ und ihr ein unschönes Ekzem beschert hätte, schlug Ida ihr vor: »Warum tragen Sie nicht die Stoffe, die hier üblich sind?«
Sie reichte ihr ein Stück ihres unmodernen Damenrocks aus einem lichtundurchlässigen Gewebe. Die erste Ehefrau Rasser stellte fest, dass der Stoff aus sehr feinem Garn bestand.
»Was ist das?«, fragte sie neugierig.
»Sie ziehen die Fasern von einer Pflanze, die sie Baumwolle nennen.«
»Von einer Pflanze? Das ist ja originell. Ich habe niemals Pflanzen gesehen, auf denen Fasern wachsen, und dann noch so feine.«
»Ich glaube nicht, dass die Fasern direkt auf der Pflanze wachsen«, warf Ida verunsichert ein. »Vielleicht unter der Rinde oder im Pflanzeninnern. Auf jeden Fall ist das Gewebe bei heißemund feuchtem Klima sehr viel angenehmer als Fototex, auch wenn es nicht so wahnsinnig elegant aussieht. Stellen Sie heute Nacht nicht die Klimaanlage ein«, fügte sie hinzu. »Die Asix merken es sofort, wenn sie zur Arbeit kommen, und weigern sich dann, das Zimmer zu betreten. Man kann auch sehr gut bei offenem Fenster schlafen. Es gibt hier keine fliegenden Tiere, nur Bienen, die vor mehreren Jahrhunderten zwecks Bestäubung eingeführt wurden.«
»Ja, aber es gibt andere Gefahren, vor allem für eine junge Frau. Die Einheimischen würden es doch nicht wagen, uns zu nahe zu kommen?«
Ida lachte auf.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Bei den Asix ist das Missverhältnis zwischen den Männern und Frauen derart groß, dass nur die männlichen Fremden ein gewisses Risiko tragen, auf jeden Fall alle, die Haare haben und einen dunklen Teint. Die Frauen aber ganz sicher nicht. Und von den Shiro droht überhaupt keine Gefahr. Sie verachten uns.«
»Die Einwohner einer peripheren und unterentwickelten Welt verachten uns? Warum?«
»Auf alles, was nicht Shiro ist, wird herabgeschaut. Sie sind arrogant und stolz, selbst wenn es sich bei ihnen in Wirklichkeit um Blutmörder handelt.«
»Mörder? Ist das nicht ein wenig übertrieben? Diejenigen, die wir auf dem Raumschiff kennengelernt haben, machten einen
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