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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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durchaus ehrenwerten Eindruck. Mir machen vielmehr die Asix Angst. Sie kommen mir wie Tiere vor.«
    »Irrtum, meine Liebe. Die Asix sind vielleicht nicht sehr intelligent und ein bisschen naiv, so wie Kinder, aber sie sind friedlich. Sie würden nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun. Man muss nur das Gute in ihnen sehen. Die wirkliche Gefahr geht von den schreckhaften Aristokraten aus, glauben Sie mir.«
    Die erste Ehefrau Rassers blickte Ida zweifelnd an. Sie war bereit, ihr Urteil über die Shiro zu ändern, aber die Asix konnte sie nicht als harmlos abtun. Jedes Mal, wenn eines dieser Muskelpakete an ihr vorbeiging, zitterte sie vor Angst.
    Gemeinsam gingen sie zu Fuß in die Stadt. Nicht, dass es dort viel zu sehen gab; die Stadt war klein und uninteressant. Das einzig wirklich Schöne waren die steilen Felsen oberhalb des Meeres, gegen die Wellen peitschten und vor denen sich große Kaskaden weißer Gischt anhoben. Daneben gab es zwei oder drei Geschäfte mit importierten Handelswaren, in die – wie Ida Soener gesagt hatte – niemals ein Einheimischer den Fuß setzte. Dort gab es Auslagen mit Obst und Gemüse oder Käse, hinter denen alte Asix, die im Schneidersitz auf ihren Matten hockten, friedlich schliefen. Und dann gab es noch einen Laden, um den alle Asix naserümpfend einen großen Bogen machten.
    »Fleisch ist nicht jeden Tag erhältlich«, sagte Ida. »Doch einer unserer Asix hat mit dem Inhaber eine Übereinkunft getroffen, und so haben wir stets die erste Wahl. Wenn die Inhaberin kein Fleisch hat, schickt sie einen Jungen aus ihrer Familie mit Fisch oder Muscheln zur Botschaft. Ihr Geschmack erinnert ein wenig an die hydroponischen Kulturen, aber sie sind nicht so zart. Doch man gewöhnt sich daran.«
    »Der unitaristische Tempel steht direkt neben der Botschaft«, stellte die erste Frau Rasser zufrieden fest. Doch ihre Zufriedenheit sollte nur von kurzer Dauer sein. Kaum eingetreten, bemerkte sie, dass trotz der durchaus befriedigenden Ordnung und Sauberkeit eine geruchsneutrale Atmosphäre herrschte – typisch für Gebäude, die seit Langem leer standen. Sie strich mit einem Finger über die Rückenlehne eines Stuhls, entdeckte aber keinen Staub.
    »Ich habe zwei unserer Hausangestellten beauftragt, hier alle zehn Tage ein bisschen sauber zu machen«, sagte Ida Soener. »War das in Ordnung?«
    Frau Rasser bejahte. Dann machte sie die Sieben-Kapellen-Runde. Vor jeder der traditionellen Gottheiten murmelte sie ein kurzes Gebet. Vor Fatma, der barmherzigen Mutter, kniete sie länger nieder. In den Schlitz einer Atomlampe steckte sie kleine Stücke lackierten Holzes, von dem sie im Tausch gute zwei Handvoll bekommen hatte. Ein strahlendes Licht erleuchtete die Mutter, eine große Plastik, kein Holo-Bild. Sie trug zwar dietraditionelle orangefarbene Tunika, hatte jedoch schwarzes Haar und eine Adlernase, die Frau Rasser noch nie zuvor an so einer Skulptur gesehen hatte – in keinem der vielen Tempel, die sie, eine sehr fromme Frau, in den vielen Welten, die sie gemeinsam mit ihrem Mann besucht hatte, sich angesehen hatte.
    »Warum haben sie das heilige Bild dermaßen verunstaltet?«, fragte sie schockiert.
    »Vor einigen Jahren hat ein Missionar versucht, die Einheimischen zu bekehren. Nachdem ein Ta-Shimoda ihn gefragt hatte, an welcher Krankheit die Frau mit den gelben Haaren gelitten habe, hielt er es für besser, die Gottheiten mit physischen Zügen auszustatten, die seinen Schäfchen vertrauter waren. Er hat sich von den Shiro inspirieren lassen, weil die Asix ihnen so viel Respekt bezeugen, dass es einer Verehrung gleichkommt.«
    »Aber er hat die Asix nicht bekehren können, oder?«
    »Er hat niemanden bekehrt«, seufzte Ina, »und er ist dann auch bald weggegangen. Er war nicht der richtige Mann, er war zu kleingeistig. Er bekam Wutanfälle und bezeichnete es als Sakrileg, wenn die Menschen ihm Fragen stellten, die er als Gotteslästerung empfand. Ihr Nicht-Wissen in Sachen Religion war erschreckend. Der Nachfolger des Missionars hatte sich in den Kopf gesetzt, in Gaia zu predigen, und wir haben ihn nie wieder gesehen. Seitdem haben sie niemanden mehr geschickt.«
    »Was ist ihm zugestoßen? Hat er das berühmte Fieber bekommen?«
    »Wir haben nicht die leiseste Ahnung. Wir dürfen nicht vergessen, dass jeder, der ohne besondere Befugnis über die Brücke geht, von diesem Moment an als Bürger Ta-Shimas gilt und damit auch dem Gesetz und den Sitten auf dem Planeten unterworfen ist. Ich

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