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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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allein.
    Und sie selbst, die auf einem bescheidenen Bauernhof aufgewachsen war, wusste nichts anderes mit sich anzufangen, als sich mit Tieren zu beschäftigen – eine Tätigkeit, die von den Repräsentanten der Aristokratie, mit denen sie ihr Leben teilte, nicht besonders geachtet wurde. Für Kultur konnte die junge Frau sich jedoch nicht erwärmen, und eine künstlerische Begabung hatte sie auch nicht. Sie besaß nicht das Talent, ein Instrument zu spielen, und sie konnte auch keine Duftmischungen kreieren. Sie hätte noch nicht einmal gewusst, wie man die winzigen Laser bedient, mit denen die erste Frau Rasser ihre Lichtskulpturen schuf. Außerdem hatte sie kein Talent für geistreiche Gespräche oder wenigstens interessante Konversation, obwohl man das von einer Dame ihres Ranges erwartete.
    In den ersten Monaten nach ihrer Hochzeit war sie fasziniert gewesen von der Möglichkeit, sich Kleider und Tand kaufen zu können, ohne auf den Preis achten zu müssen. Doch nach kurzer Zeit hatte selbst das an Anziehungskraft verloren, und sie langweilte sich beinahe zu Tode. Alles, was sie gern getan hätte, war einer Dame unwürdig, oder es wurde als dumm oder gefährlich angesehen.
    Um die Zeit auf Ta-Shima totzuschlagen, hatte sie dem Professor vorgeschlagen, ihm beim Redigieren seines Gorin-Glossars zu helfen. Doch während der Professor von der Etymologie begeistert war und zu verstehen versuchte, aus welcher Mischung von Idiomen diese Sprache bestand, war sie damit zufrieden, ein paar Wörter auswendig zu lernen. Sie war neugierig, ob sie es schaffen würde, sich mit den Asix zu verständigen.
    »Ein Substrat des alten Chinesisch und der Sprache von Atarashii Sendaï, das ist an sich schon faszinierend, da der Wortschatz der Sprache von Atarashii Sendaï eine ausgefeilte Proportion von abgeleiteten Begriffen enthält, die noch älter sind als das Chinesische!«, rief der Professor zufrieden aus.
    Elide Rasser stimmte ihm zu, wobei sie sich fragte, was das Chinesische sein könnte. Sie kannte keine Welt, die China hieß. Handelte es sich etwa um einen Planeten? Sie wagte nicht, Fragen zu stellen, aus Furcht, ihre Unwissenheit würde ans Licht kommen.
    »Ich habe zudem einen gewissen Einfluss des Castlan von Nueva Vida identifizieren können«, fuhr Li Hao fort, hochzufrieden über das Interesse, das die junge Frau seinen Studien entgegenzubringen schien. Diese hatte schon vor langer Zeit gelernt, nach außen hin so zu wirken, als würde sie zuhören. Sie schaute den Professor aufmerksam an, während sie im Geiste die unterschiedlichen Begrüßungsfloskeln auf Gorin einübte sowie die riesige Vielfalt an Wörtern, die es gab, um Verwandtschaft zu bezeichnen: »Nihey« – »Doppelter Bruder«, »Cohey« – »Jüngerer Bruder«, »Sazhey« – »Bruder von derselben Mutter« und dergleichen mehr, mit endlosen Varianten. Um beispielsweise »der ältere Bruder vom demselben Vater« auszudrücken, verwendete man nicht nur die beiden Bezeichnungen »Bruder desselben Vaters« und »älterer Bruder«, das hätte ja noch eine gewisse Logik. Nein, man benutzte auch eine dritte Bezeichnung, die sich von den beiden anderen unterschied. Zudem hatte jedes Wort zwei verschiedene Formen, abhängig davon, ob das Höflichkeitssuffix anhing oder nicht. Die junge Frau hatte noch nicht begriffen, wann man welche Form gebrauchte. Es war ein Geduldspiel, bis man herausgefunden hatte, wie man bestimmte Personen ansprechen sollte, ohne einen Fauxpas zu begehen.
    Es würde viel Spaß machen, sich mit den Asix auf Gorin zu unterhalten, ohne dass ein anderer etwas verstehen könnte. Sie wären erstaunt und sicher auch froh darüber, dass zumindest eine Person innerhalb der Botschaft sich für ihre Sprache interessierte. Sie konnte es kaum erwarten, es auszuprobieren.
    Die erste Ehefrau Rasser dagegen fühlte sich erneut unwohl im Kreise ihrer Dienstboten. Zudem war sie nach einer ihrer vielen schlaflosen Nächte sehr unruhig. In dieser Nacht hatte Rasser, der seine Nächte zwischen ihr und seiner zweiten Ehefrau aufteilte, mit offenem Mund geschnarcht und eine derartige Vielfalt an Grunzen und Röcheln zum Besten gegeben, dass sie kein Auge zugetan hatte. Sie hatte in die Dunkelheit gestarrt und dem Himmel gedankt, dass sie seit der Ankunft der jungen Frau Rasser vor drei Jahren wenigstens hin und wieder eine ruhige Nacht verbringen konnte.
    Einige Zeit vor seiner zweiten Eheschließung hatte sie ihrem Mann den Vorschlag unterbreitet,

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