Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
getrennte Schlafzimmer einzurichten, doch er hatte abgelehnt. Glücklicherweise hatte er nach seiner zweiten Heirat damit aufgehört, sie zu irgendwelchen langweiligen sexuellen Leistungen zu drängen, die sie stets ein wenig verabscheut hatte und sie nur erschöpften. Sie hätte der jungen Frau also dankbar sein müssen, doch das Gegenteil war der Fall: Ohne besonderen Grund verabscheute sie diese asoziale Göre. Sie war gerade einmal sechzehn Jahre alt gewesen, als ihre Eltern der Heirat mit dem Botschafter zugestimmt hatten, wahrscheinlich, weil sie dafür finanziell reichlich entschädigt worden waren.
Um in den Hafen einer zweiten Ehe einlaufen zu können, hatte ihr Ehemann den ehrenrührigen Wunsch nach weiteren Kindern ins Feld geführt. Als würden die sieben Gören, die er bereits hatte, nicht reichen.
Die erste Frau Rasser schaute durchs Fenster auf das Viertel der Einheimischen, das grau und trostlos vor ihr lag. Sie verabscheute diesen Planeten, seine lächerlichen, anachronistischen Transportmittel, seine Bewohner, die ihr so fremd waren, dass sie ihr Angsteinjagten, sein unerträgliches Klima und seine riesigen Wälder, die sie von ihrem Zimmer aus nicht auseinanderhalten konnte, die ihr aber mit den vielen Geheimnissen und Gefahren, die sich darin verbargen, sehr bedrohlich erschienen.
Doch was sie am meisten verabscheute, waren die Stille und die Dunkelheit. Auf zivilisierten Planeten konnte man in der Nacht die Lichter von Transportmitteln sehen, beleuchtete Schilder oder zumindest die Rückstrahlung von Fotomax, das synthetische Konstruktionsmaterial, das am Tag Sonnenstrahlung absorbierte und nach Einbruch der Dämmerung eine angenehme Helligkeit abgab, die auch in der Nacht die beruhigende Anwesenheit von Zivilisation und Leben erkennen ließ. Und wenn man die Ohren spitzte, hörte man eine ganze Reihe verschiedener Klänge: das Surren von Geräten, Motoren jeder Art, Transportmodule, die unterwegs waren, den Hängezug, Holovid-Programme aus anderen Wohnungen, Stimmen, Musik.
Und hier? Gar nichts! In den meisten Hütten der Einheimischen war es in der Nacht absolut ruhig, als würde niemand darin leben. Selbstverständlich hatte die Botschaft dank eines Generators mit nahezu unerschöpflicher Atombatterie ein eigenes Beleuchtungssystem, doch in den anderen Häusern – und nicht nur im Viertel der Einheimischen – gab es nichts anderes als die zitternden Lichter einiger primitiver Lämpchen.
Was für eine unterentwickelte Welt, und was für ein abscheuliches Klima!
Die Hitze war unerträglich, sodass die erste Ehefrau Rasser praktisch den ganzen Sommer über nicht aus dem Haus gegangen war. Auch jetzt hatte sie nicht die Absicht, auf die Klimaanlage zu verzichten. Sie beschloss, die Anlage in der letzten Etage weiterlaufen zu lassen und auch den Roboter, der noch einigermaßen funktionierte, nicht abzuschalten. Wenn die Asix-Bediensteten sich weigerten, hierherzugehen – umso besser! In ihrer Gegenwart fühlte Frau Rasser sich unruhig. Von jetzt an hatte sie wenigstens ein paar Zimmer für sich, in denen sie sich wohl fühlen und in Ruhe an ihren Skulpturen arbeiten konnte.
Wieder einmal herrschte Regenzeit auf Ta-Shima. Sie dauerteso lange wie ein ganzes Jahr in Neudachren. Im Vergleich zum Sommer war das eine gewisse Verbesserung, denn man konnte nachts wenigstens schlafen und den Tag wach verbringen, wie die meisten anderen Menschen auf allen anderen Planeten auch.
Doch das Heimweh nach ihrem Geburtsplaneten ließ die erste Frau Rasser nicht los. Manchmal träumte sie, sie säße inmitten einer riesigen Menschenmenge im großen, hell erleuchteten Theater von Dachrenstadt. Alle waren elegant gekleidet und in ihrer Liebe zum Schönen vereint. Sie sah sich in Begleitung ihrer Schwestern und deren Ehemänner, feingeistige, kultivierte Herren, mit denen man abwechslungsreiche und interessante Gespräche führen konnte.
Doch rasch holte die Realität sie wieder ein. Sie befand sich auf dem tristen, schmutzigen und ärmlichen Ta-Shima. Hier lebten Menschen, die allem Anschein nach für jede Vorstellung von Zivilisation unempfänglich waren.
»Ich hoffe, dass der nächste Transport wenigstens einen Teil der Dinge mitbringt, die wir bestellt haben«, sagte sie und stellte überrascht fest, dass sie Selbstgespräche führte.
Der Versuch, mit ihrem Ehemann ein vernünftiges Gespräch zu führen, war sinnlos. Das wusste sie seit Langem. Sie hatte sich mit Frau Soener zusammengetan, die sich
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