Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
jungen Erwachsenen malträtiert wurde, die bis zum heutigen Tag zu meinem Clan gehörten?«
»Er wird sich ohne körperliche Folgeschäden davon erholen«, antwortete ihm Suvaïdar. »Er wurde von Reomer Jestak operiert.«
Während sie dies sagte, sah sie bei Saïda Trotz aufkommen. Er erwartete sicher einen der üblichen dummen Kommentare darüber, dass Männer von Natur aus unfähig seien, gute Ärzte zu werden, doch der Mann begnügte sich damit zu murmeln: »Ich stehe in deine Schuld, Reomer Adaï. Mein Name ist Klaus Sobieski to Pons.«
Suvaïdar erkannte den Namen sofort wieder. Klaus Sobieski war einer der drei einzigen Männer, die auf Ta-Shima an der Spitze eines Clans standen. Das war auch der Grund dafür, dass er gegen Saïda keine Einwände geäußert hatte, denn auch er musste in einer Welt zurechtkommen, die traditionell ausschließlich weiblicher Kompetenz vorbehalten war.
»Ich fühle mich geehrt, Sazdo Adaï«, entgegnete Saïda, der ihn offensichtlich auch vom Namen her kannte. »Es war nicht nötig, dass du persönlich gekommen bist.«
»Ich wollte wissen, was genau sich zugetragen hat.«
»Hat der Junge aus deinem Clan dir denn nichts erzählt?«
»Ich wollte gern die Bestätigung der Ärztin, die dabei war«, antwortete er leise.
Es musste erniedrigend für ihn sein, festzustellen, dass ein Junge seines Clans ihn angelogen hatte. Suvaïdar beschrieb ihm die Ereignisse und sah, wie er die Zähne aufeinanderpresste.
»Jestak Adaï, ich bitte dich, heute Abend in unseren Fechtsaal zu kommen.«
Suvaïdar korrigierte den Irrtum nicht, der ihm bei ihrem Namen unterlaufen war; das war nachvollziehbar. Doch sie schaute ihn mit erhobener Augenbraue an. Der Alte wurde rot, als er sich darüber klar wurde, dass er seine Einladung so ausgesprochen hatte, dass sie als Aufforderung zu einem Duell verstanden werden konnte.
»Ich rechne damit, dass die Schmach gerächt wird, die auf unserem Clan lastet«, erklärte er nachträglich. »Ich möchte, dass du, die Zeugin dieses Vorfalls gewesen ist, auch Zeuge wirst, wie aufmerksam die Sobieski über ihre Clan-Ehre wachen.«
»Ich werde kommen, wenn es notwendig sein sollte.«
Es missfiel ihr keineswegs, dass die beiden grausamen Jungen die Strafe bekamen, die sie verdienten. Doch sie wusste auch, dass dieses Schauspiel ganz sicher kein Vergnügen werden würde. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, weniger entschlossen zu handeln, als eine Clan-Chefin gehandelt hätte, fühlte sich Klaus Sobieski verpflichtet, besonders streng zu reagieren.
*
Es wurde noch schlimmer, als Suvaïdar befürchtet hatte. Als sie ankam, war der Fechtsaal übervoll. Man hätte glauben können, dass alle erwachsenen Shiro des Clans anwesend waren, darüber hinaus sogar einige Asix. Suvaïdar erkannte den Jugendlichen wieder, mit dem sie sich geschlagen hatte. Zusammen mit einem anderen Jungen kniete er mit nacktem Oberkörper auf dem Boden. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sie bereits eine besonders schwere Bestrafung erhalten: Ihre Rücken trugen die Spuren von Peitschenhieben, die von einer starken Hand ausgeführt worden sein mussten, da sie heftig bluteten. Die Gesichter der Shiro, die dem Schauspiel beiwohnten, zeigten keinerlei Empfindungen; sie wirkten wie aus Stein gemeißelt. Man suchte vergebens Mitleid für diese beiden jungen Leute, die ja irgendjemandes Söhne, Brüder oder Spielkameraden sein mussten.
»Ihr seid aus dem Clan ausgeschlossen«, deklarierte Klaus Sobieski.
Auf ein Zeichen von ihm zückte eine Shiro ihr Messer und zog ein großes blutiges X auf die Clan-Tätowierung der Jungen.
»Ihr seid nicht würdig, Shiro zu sein«, fuhr der Alte fort, und die Frau legte in rascher Abfolge ihre scharfe Klinge auf die Köpfe der beiden Jungen, um ihnen die Haare abzuschneiden und sie vollständig zu rasieren. Dabei ging sie nicht gerade vorsichtig zu Werke, sodass die Haut zerkratzt und zerschnitten wurde.
Suvaïdar hatte ein paar Stunden Zeit gehabt, sich zu beruhigen, doch die anderen standen noch unter Schock, und sie stellte bei allen dieselbe Reaktion fest: Sie blickten die beiden Schuldigen ohne Mitleid und voller Verachtung an. Ein Gedanke bahnte sich einen Weg in Suvaïdars Bewusstsein: Es war unnormal, dass alle Shiro exakt auf die gleiche Weise reagierten. Bei so vielen hätten statistisch betrachtet unterschiedliche Verhaltensmuster zutage treten müssen.
Dann fühlte sie, wie der Zorn ihr wieder zu Kopf stieg, und sie ballte die Fäuste
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