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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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assistieren.«
    Saïda schaute sie verwundert an; dann nickte er. Mit seinen großen Händen – die im Gegensatz zu dem, was die Kolleginnen darüber sagten, so zärtlich sein konnten wie die Hände einer Frau – betastete er die vorsichtig die Schwellung. Die Holo-Untersuchung war im Grunde überflüssig. Man sah auch so, dass die beiden Knochenfragmente nicht nebeneinander lagen, sondern dass sich eines von ihnen durch Fleisch und Haut gebohrt hatte.
    Er zögerte kurz, denn Suvaïdar war seine Chefin und er nur Assistent, doch dann befahl er: »Lokale Anästhesie.«
    Suvaïdar gehorchte und besprühte den gesamten Oberschenkel mit einer weißlichen Flüssigkeit. Binnen weniger Sekunden drang die Flüssigkeit in die Haut ein und blockierte nahezu vollständig die Nervenbahnen und damit auch die Schmerzempfindung.
    Saïda aktivierte das Holo-Bild, und der Oberschenkel des Patienten erschien in natürlicher Größe mitten im Raum. Er gab mit halblauter Stimme einen Befehl. Daraufhin verschwand erst die Haut, dann das Blut aus dem Bild. Nun konnte man deutlich die verletzte Arterie sehen, aus der das Blut unablässig strömte.
    Suvaïdar wusch sich mit der schrecklichen schwarzen Seife des Hospitals die Hände. Einmal mehr bedankte sie sich in Gedanken für die genetische Kunstfertigkeit der ersten Jestaks, dank derer die Ta-Shimoda und vor allem die Asix praktisch allen Infektionen gegenüber resistent waren. Nun war es nicht mehr nötig, lange, aufwendige und komplizierte Sterilisationen durchzuführen, wie sie es von Wahie her kannte. Selbst bei tiefen Wunden reichte ein einfaches Desinfizierungsmittel.
    »Anästhesie?«, fragte sie, sicher, dass operiert werden musste.
    Jetzt zeigte das Holo-Bild die beiden Oberschenkelfragmente. Das untere, unpassende Fragment bildete einen Winkel von zwanzig Grad zur Achse. Der kleine Patient war fasziniert von dem Bild in natürlicher Größe. Die Asix-Hilfskraft erklärte ihm, dass dies ein Oberschenkel sei und was sie nun machen würden.
    »Akupunktur«, ordnete Saïda an.
    Suvaïdar platzierte sorgsam die Nadeln auf den Meridianen, um auf diese Weise die Wirkung des Betäubungsmittels aufrechtzuerhalten und zu erhöhen.
    »Tut es irgendwo weh?«, fragte sie und drückte leicht mit einem Finger auf den geschwollensten Bereich des Schenkels.
    »Nein, Shiro Adaï.«
    »Und jetzt?«
    Sie drückte schrittweise stärker, wobei sie die Augen ihres Patienten im Blick behielt. Der Oberschenkel war wirkungsvoll narkotisiert worden; hätte der Junge die Shiro mit besonderem Mut beeindrucken wollen, hätte die Kontraktion seiner Pupillen ihn verraten.
    Die Asix-Hilfskraft ließ einen schwachen Strom durch die Nadeln strömen und kontrollierte das Gerät. Suvaïdar dachte an den kostspieligen Neuralschalter, der Stolz des Hospitals auf Wahie, eine Hightech-Erfindung, die in der Anästhesie angewendet wurde und die nahezu den gleichen Effekt hatte wie fünf feine Metallnadeln.
    Suvaïdar stellte sich so hin, dass der Junge sein Bein nicht sehen konnte, und beobachtete weiterhin seine Augen, während sie mit ihm sprach und versuchte, möglichst ruhig zu erscheinen. Sie stellte ihm Fragen über seine Schule, über seine Brüder von derselben Mutter und über seinen Clan. Hinter sich nahm sie die ruhigen Bewegungen Saïdas wahr, der schweigend vor sich hin arbeitete, nachdem er dem Assistenten aufgetragen hatte, im Zentrum für Gentechnik eine Kompatibilitätsanalyse für das organische, transgenetische Gewebe in Auftrag zu geben. Suvaïdar drehte sich bewusst nicht zu Saïda um; er war in der Lage, allein zu operieren, und wenn er Hilfe brauchte oder einen Rat, könnte er sie jederzeit fragen. Sie war da.
    Als Saïda die Operation beendet hatte, drehte sie sich zu ihm um und sagte lächelnd:
    »Glückwunsch, Doktor. Ich glaube, wir können deine Assistenzzeit als beendet betrachten.«
    »Was genau hat sich ereignet?«, fragte er, nachdem die Asix-Hilfskraft den Raum verlassen hatte. Den Wagen mit der Trage schob er allein.
    Während Suvaïdar sich wusch, berichtete sie ihm, was vorgefallen war. Die Hände ihres Sei-Hey begannen zu zittern.
    »Jestak Adaï?«, fragte plötzlich eine Stimme.
    Der Mann, der hinter der Tür auf sie wartete, war ein in die Jahre gekommener Shiro mit hohen Wangenknochen und einem mageren Gesicht, das von tiefen Falten durchzogen war, die sich von der Nasenspitze bis zu den Mundwinkeln erstreckten.
    »Wie geht es dem kleinen Asix, der zu meiner Schande von zwei

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