Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Corosaï. Auch die Beziehung der Menschen untereinander ist merkwürdig. Fast alle erziehen übrigens ihre Kinder selbst, und was sich da zwischen Mann und Frau abspielt ...«
»Herrje! Sie machen das doch nicht wie wir?«, fragte Yoriko mit runden Augen.
»Das wollte ich eigentlich gar nicht sagen, aber da gibt es etwas ganz Persönliches zwischen ihnen. Was für einen Unterschied macht es schon, die Matte mit dem einen oder anderen zu teilen, Hauptsache, es ist ein hübscher Junge! Das einzige Kriterium für mich besteht darin, dass es besser ist, den Partner häufiger zu wechseln, wenn man Asix zu sich ins Haus einlädt. So entsteht nicht das Bild einer besonderen Vorliebe, und keiner fühlt sich ungerecht behandelt. Aber in der Außenwelt können sie sich bei ihren Matten-Geschichten ziemlich merkwürdig zeigen. Anfangs hatte ich von Zeit zu Zeit einen Außenweltler zu mir eingeladen, aber das war nicht sehr angenehm.«
»Wollten sie dir wehtun? Wie dem kleinen Asix-Mädchen, das mit euch auf dem Raumschiff war?«
»Nein, aber keiner hat sich normal verhalten. Einige waren sogar erzürnt, dass ich sie eingeladen hatte. Aber warum sind sie dann gekommen? Andere fingen an zu fantasieren und wollten, dass ich mit ihnen in ihrem Haus lebe ...«
»Im Haus ihres Clans?«
»Nein, die Sitabeh haben für sich allein ein Haus, das sie nur mit ihrem Partner und den gemeinsamen Kindern teilen.«
»Das ist ja abartig!«
»Da hast du recht. Und es ist auch nicht sehr rationell. Jeder verliert Zeit damit, seine eigenen Mahlzeiten in der Küche zuzubereiten und seine Kinder zur Schule zu begleiten. Was die Arbeit betrifft, müssen sie nicht so lange schuften wie wir, doch ihre gesamte Freizeit verbringen sie damit, sich mit Dingen zu beschäftigen, die viel langweiliger sind als die Arbeit. Und das ist noch nicht alles. Sie glauben, du müsstest mit ein und demselben Mann Jahre über Jahre verbringen, wenn du erst einmal die Matte mit ihm geteilt hast. Wenn sie sich dann einen anderen Partner für die Matte suchen, machen sie es heimlich und treffen alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen, um nicht entdeckt zu werden. Wenn man sie dabei überrascht, gibt es eine Menge Probleme.«
Yoriko schaute sie ungläubig an.
»Jahrelang mit ein und derselben Person die Matte teilen? Und auch die Tage mit ihr verbringen? Das grenzt schon an Wahnsinn. Würde ich das mit einem Shiro machen, würde ich schon nach zehn Tagen im Fechtsaal enden. Und was das Zusammenleben mit einem Asix betrifft – wie sollte das möglich sein? Man würde vor Langeweile sterben.«
»Ich glaube, auch sie sterben im Allgemeinen vor Langeweile, auch wenn einer manchmal ein besonderes Interesse für einen anderen hegt – so wie wir für einen Sei-Hey oder einen Bruder, der gleichzeitig die Matte mit uns teilt. Aber es gibt da etwas zugleich Abstoßendes und Faszinierendes. Sie interessieren sich persönlich für ihre Kinder. Das ist wider die Natur, ich weiß, aber auf der anderen Seite ... Vielleicht hast du schon gehört, dass einer meiner Brüder von derselben Mutter und ich zusammen bei unserer Pflegemutter geblieben sind, bis die Volljährigkeitsprüfungen anstanden. Ich sage dir, die Sache hat auch etwas Schönes.«
»Aber es war die Asix-Pflegemutter, die sich um euch gekümmert hat, nicht deine leiblichen Eltern.«
»Das stimmt. In meinem Fall war übrigens Jori Jestak der leibliche Vater. Du hast sicher schon mal von ihm gehört. Ich könnte nicht sagen, wie viele Tage ich überlebt hätte, hätte er sich um mich gekümmert. Er verbrachte mehr Zeit mit einer Blutklinge in der Hand als mit irgendwelchen anderen Dingen. Ich meine verstanden zu haben, dass die Außenweltler für ihre Kinder ähnliche Gefühle entwickeln, wie sie uns gegenüber eine Pflegemutter aufbringt. Ich weiß, das klingt merkwürdig, aber das ist so.«
»Das Ganze scheint mir nicht natürlich zu sein. Ich jedenfalls würde nicht einen Tag mit den Knirpsen verlieren wollen. Ich verstehe nicht, wie die Pflegemütter das schaffen, und mit den kleinen Shiro kann ich es mir erst recht nicht vorstellen. Jeder normale Mensch ...«
Sie hielt verwirrt inne. Zweifellos hatte sie sich daran erinnert, dass Reomer Jestak einer von Suvaïdars Sei-Hey gewesen war und dass er sich lächerlich gemacht hatte, als er der Tutor seiner zwei biologischen Töchter wurde. Sie warf einen Blick auf die Narben im Gesicht ihrer Gesprächspartnerin und beeilte sich, das Thema zu wechseln.
»Hast du
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