Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
in der Außenwelt noch andere Merkwürdigkeiten wahrgenommen?«
»Mehr, als dass ich mich in ein paar Minuten daran erinnern könnte. Eine andere unverständliche Sache ist die unangemessene Bedeutung, die bei ihnen das überflüssige Zeug hat. Es ist noch bizarrer, als ich bereits erwähnt habe: Skulpturen, die zu absolut nichts taugen und für die sie kostbares Metall verschwenden, Stoffe, auf denen sie Farbpigmente verteilen und Cubes, die Geschichten erzählen, die niemals stattgefunden haben – extrem ermüdende Bandaufzeichnungen, laut, mit rhythmischem Lärm. Ohne Ende sprechen sie über dieses überflüssige Zeug und darüber, wie schön sie es finden.«
»Was könnte an solchen Dingen schön sein? Schön sind die ersten Regentropfen nach der Trockenheit, der Körper eines Asix im Licht der Nacht beim Fest der drei Monde, ein Duell zwischen zwei Fechtchampions oder die erste Mahlzeit nach der neuen Ernte. Welches Interesse könnte man an bunten Stoffen oder Geschichten haben, die voller Lügen sind?«
»Du hast recht. Sie sind ohne Interesse. Aber manchmal hatte ich für einen Moment den Eindruck, dass ... ach, ich kann es nicht erklären. Das ist so, als würde mir etwas fehlen, das ich unbewusst zu haben glaube, wie es bei Menschen der Fall ist, die eine Amputation hinter sich haben und danach Schmerz in dem Körperglied fühlen, das sie gar nicht mehr besitzen.«
»Das ist, als hätte Maria uns etwas amputiert, als sie uns modifiziert hat, damit wir für das Leben auf Ta-Shima besser angepasst sind«, murmelte Yoriko. »Aber wie hat sie es angestellt, dass wir alle ... Was ich meine, ist, dass sie notwendigerweise die Chromosomen all jener verwendet hat, die an Land gegangen waren, um den genetischen Pool nicht über Gebühr auszulaugen.«
»Ein dominantes Allel, nehme ich an. Das ist nicht sehr kompliziert.«
»Nicht kompliziert? Das sagst du so. Ich wüsste nicht einmal, wie ich es anfangen sollte, das Allel zu identifizieren.«
»Keine von uns ist schuldig. Sie wollte zweifellos nicht, dass wir herausfinden, was sie getan hat, deshalb hat sie uns auch nicht alles übermittelt. Wusstest du, dass sie einen Teil ihres Materials zerstört hat? Das waren sicherlich die perfektionierten Instrumente. Aber man wäre in Nova Estia bestimmt in der Lage gewesen, neue herzustellen, hätte sie nicht auch Sorge dafür getragen, dass die Pläne vernichtet wurden. Erst kürzlich haben wir einige wichtige Geräte erworben und uns bei den Händlern aus der Außenwelt für die nächsten zehn Jahre verschuldet. Vielleicht können wir nach einigen hundert Jahren Forschung und dank der natürlichen Intelligenz im Lebenshaus auf dieselben Entdeckungen stoßen, allerdings nicht so zwangsläufig. So verrückt wie Maria Jestak auch war, sie war eines der größten Genies, die jemals gelebt haben.
Doch wenn ihre Forschungen die Regierungen der Föderierten Planeten dazu gebracht haben, ihr jegliche genetischen Untersuchungen zu verbieten, dann nehme ich an, dass sie systematisch die Bücher, die Videobänder und die Holos zerstört haben. Um den von Maria eingeschlagenen Weg wiederzufinden, müsste man Entdeckungen ans Tageslicht bringen, die die Menschheit seit Hunderten von Jahren vergessen hat.«
Suvaïdar dachte an die Augen der Kreaturen, die auf dem Autopsie-Tisch festgebunden gewesen waren – Augen voller Schmerz und Leid. Am schlimmsten war es beim letzten Experiment gewesen. Diese Kreatur, die das Skalpell mit angstvoll aufgerissenen Augen fixiert hatte, war körperlich nahezu identisch mit einem Asix gewesen.
Suvaïdar fragte sich, ob diese Art von Experimenten notwendig sei, um herauszufinden, welcher Teil ihres Genoms künstlich war.
Im Labor gab es einen Spiegel, der bei einigen Experimenten eingesetzt wurde. Sie stellte sich davor, um sich zu betrachten. Und sie sah eine Shiro mit einem unleserlichen Ausdruck und einem Blick ohne Wärme. Irgendwo unter dieser Maske aus auferlegten Konventionen versteckten sich jene Elemente, die Maria allen Shiro übertragen hatte. Sie schüttelte sich und suchte die Augen von Yoriko Sobieski, doch ihre Kollegin hatte sich davongemacht.
Tja, sagte sich Suvaïdar, die Galaxie hat mich geschützt! Was hätte sie riskiert, eine derartige Emotion in der Öffentlichkeit zu zeigen! Vielleicht, überlegte sie, habe ich endlich begriffen, was das Sh’ro-enlei wirklich bedeutet. Und jetzt, wo ich weiß, wer wir Shiro sind, habe ich kein Problem damit, das Nötige bei
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