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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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Ärztin, eine Frau aus dem Clan der Jestak, stand auf. Lara hatte den Eindruck, sie wollte das Gespräch beenden, aber sie gab ihr ein Zeichen, ihr zu folgen und führte sie wieder in den Raum mit den vielen Geräten. Vor einem hatte ein kleiner Junge Platz genommen. An seiner Seite saß eine andere Ärztin, die irgendetwas auf ein Blatt Papier schrieb, nicht auf die sonst übliche Schieferplatte.
    Die Jestak legte einen Finger auf die Lippen und führte Lara auf die andere Seite des Raumes.
    »Das hier ist ein Alphawellen-Stimulator«, erklärte sie. »Du weißt sicher nicht, was das ist, oder? Das steht bei dir bestimmt noch nicht auf dem Stundenplan.«
    »Ich habe in der Bibliothek etwas darüber gelesen«, sagte Lara.
    »Dann erkläre es mit deinen eigenen Worten. Es macht nichts, wenn du die Fachbegriffe nicht kennst.«
    »Alphawellen sind elektrische Gehirnwellen. Ich glaube, man sieht sie, wenn die Menschen erregt sind.«
    »Sehr gut. Und bestimmte Formen dieser Wellen lassen erkennen, wenn jemand an Epilepsie erkrankt ist.«
    Die Ärztin schaute Lara fragend an und zog dabei eine Augenbraue hoch.
    Lara fuhr fort: »Ich glaube, diese Krankheit entsteht, wenn man einen Schlag auf den Kopf bekommt.«
    »Stimmt. Es kann von einem Traum herrühren oder von einer Hirnerkrankung. Aber vor dem Exodus, als unsere Vorfahren noch in Estia lebten, gab es eine idiopathische Form dieser Krankheit. Von Zeit zu Zeit taucht sie wieder auf, und dann müssen wir sie bekämpfen.«
    Lara hätte gern gewusst, was »idiopathisch« bedeutet, aber die Jestak hatte ihr schon sehr viel erklärt, und sie wollte die Geduld der Frau nicht überstrapazieren.
    Die beiden gingen zum nächsten Apparat. Wieder stellte die Ärztin Lara beiläufig ein paar Fragen, während sie erklärte, wozu das Gerät diente. Lara antwortete viel entspannter als in den Schulprüfungen.
    Als sie ihre Runde beendet hatten, schwirrte Lara der Kopf von den vielen neuen Informationen. Sie bedankte sich, indem sie sich tief verbeugte. Dann fragte sie wagemutig:
    »Ich weiß, es ist verboten, dass Inhalte der Prüfungen nach außen dringen, aber dürfte ich jemandem erzählen, was Sie mir über Kurzsichtigkeit, Epilepsie, Missbildungen und dergleichen erzählt haben?«
    »Gewiss. Wem möchtest du denn davon erzählen?«
    »Meinem Bruder.«
    »Deinem Bruder? Du meinst Wang Huang, der heute auch hierist? Ihr wohnt bei derselben Pflegemutter, nicht wahr? Gut, wenn du möchtest, erzähl ihm davon. Aber ich glaube nicht, dass es ihn interessiert. Und falls doch – Medizin wird er nicht studieren können. Das ist kein Beruf für Männer.«
    »Nein«, sagte Lara, »ich meine nicht meinen leiblichen Bruder, sondern meinen Milchbruder Tarr.«
    »Tarr? Es gibt niemanden mit diesem Namen, der deiner Pflegemutter anvertraut ist.«
    »Er ist kein Shiro, Frau Doktor Adaï, er ist ein Asix.«
    »Und geht er zur Schule?«
    »Nein, nicht mehr. Er arbeitet jetzt.«
    »Und wie kommst du darauf, dass ihn diese Geschichten interessieren könnten?«
    »Wenn er zu Hause ist, lerne ich mit ihm.«
    »Was meinst du mit lernen?«
    »Ich erzähle ihm, was wir in der Schule durchgenommen haben, dann erinnere ich mich viel besser daran.«
    Die Ärztin lächelte. »Du kannst ihm ruhig erzählen, was du gelernt hast, aber ich glaube nicht, dass er es begreift.«
    Lara wollte widersprechen. Tarr mochte nicht in der Lage sein, sich richtig auszudrücken, aber das lag nicht daran, dass er dumm gewesen wäre; es war darauf zurückzuführen, dass er einen Sprachfehler hatte und nuschelte. Außerdem stotterte er. Aus diesem Grund wagte er nicht, Fremde anzusprechen, und blieb meist still und verschlossen, sodass man ihn für bockig und begriffsstutzig hielt. Und das Wenige, was er von sich gab, war oft so wirr, dass seine Gesprächspartner gar nicht erst versuchten, ihn zu verstehen und ihn als Idioten abstempelten.
    Lara zog es vor, zu schweigen. Schließlich hatte sie die Erlaubnis, ihrem Milchbruder etwas von ihren neuen Erkenntnissen zu erzählen, und mehr wollte sie nicht.
    Nach den hellen elektrischen Lichtern im Lebenshaus empfand Lara es draußen als schrecklich düster. Sie schaute sich nach Wang um, aber der war nicht zu sehen. Erneut betrat sie die Eingangshalle und erkundigte sich beim Asix-Wächter, ob bereits viele Kinder fertig seien.
    »Du bist Lara Huang, nicht wahr?«, fragte der Wächter, nachdem er einen Blick auf seine Liste geworfen hatte.
    »Ja«, antwortete Lara.
    »Du bist die

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