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Das Gesicht der Anderen

Das Gesicht der Anderen

Titel: Das Gesicht der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverly Barton
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also plötzlich Interesse an einem Mann, den sie noch dazu kaum kannte? Was hatte dieser Dante Moran an sich, das sie so anmachte? Warum vertraute sie ihm so? Wieso weckte er in ihr sexuelles Verlangen?
    Dante begleitete Tessa aus Leslie Annes Zimmer, ließ aber die Tür offen. “Dadurch, dass sie eingeschlafen ist, haben Sie noch einen kleinen Aufschub bekommen, bis Sie ihre Fragen beantworten müssen”, sagte er. “Aber morgen früh wird sie Sie damit konfrontieren. Das ist Ihnen doch klar?”
    “Ja, natürlich.”
    “Und was wollen Sie ihr sagen?”
    “Die Wahrheit.” Sie hatte gehofft, diese Wahrheit niemals enthüllen zu müssen. Aber ihr war mittlerweile klar geworden, dass es ihre Tochter viel mehr traf, belogen zu werden, als die Wahrheit zu erfahren.
    “Kann ich noch etwas für Sie tun?”, fragte Dante und sah sie mit so sorgenvoller Miene an, dass sie am liebsten die Arme um ihn geschlungen und ihn gebeten hätte, bei ihr zu bleiben.
    Doch sie riss sich zusammen und schüttelte traurig den Kopf. “Nein. Außer, Sie wissen, wie man eine hochsensible, fast neurotische Sechzehnjährige davon überzeugen kann, dass es vollkommen egal ist, wer ihr Vater war. Dass sie, nur weil …” Tessa brachte es nicht über sich, es noch einmal zu sagen.
    “Tut mir leid. Selbst ich kann keine Wunder vollbringen.”
    “Ich weiß. Aber ich würde lieber sterben, als ihr erzählen, was wirklich geschehen ist.”
    “Ich glaube, das weiß sie schon”, sagte Dante. “Sie möchte nur, dass
Sie
es ihr sagen.”
    “Nein. In Wirklichkeit will sie hören, dass es nicht stimmt, dass alles eine schreckliche Lüge ist und sie tatsächlich die Tochter eines Mannes mit dem Namen John Allen ist.”
    “Also wird es auch nicht leicht
für Sie
, ihr die Wahrheit zu sagen.”
    Er streichelte Tessas Wange. Seine sanfte Berührung schlug bei ihr ein wie ein Blitz.
    Mit offenem Mund starrte sie Dante an und sagte nichts. Er streichelte sie weiter. “Für Leslie Anne wird es noch schwieriger sein, diese Wahrheit zu akzeptieren. Sie braucht jetzt all Ihre Liebe und Unterstützung, auch von ihrem Großvater und der ganzen Familie. Und meines Erachtens wäre es auch nicht verkehrt, auf Dr. Ellisons Rat zu hören und einen Therapeuten hinzuzuziehen.”
    “Sie mag Sie, Mr. Moran … Dante. Ich glaube, nach dem, was ihr gestern Abend in dem Motel zugestoßen ist, sieht sie in Ihnen ihren Ritter in glänzender Rüstung.”
    Dante räusperte sich. “Glauben Sie mir, diese Rolle passt nicht zu mir.”
    “Da bin ich anderer Meinung”, erwiderte Tessa. “Ich liege da ganz auf einer Linie mit meiner Tochter. Aber wenn Ihnen die Bezeichnung Schutzengel lieber ist …”
    “Es reicht.” Dante hob abwehrend die Hand. “Ich habe gestern Abend nur meinen Job erledigt. Ich habe Ihre Tochter gefunden und nach Haue gebracht.”
    “Man kann sich auch einfach bedanken, wenn man ein Kompliment bekommt.”
    Dante lächelte. “Danke.”
    “Ich werde Hal Bescheid sagen, damit er Ihnen ein Zimmer zurechtmacht. Und falls Sie etwas brauchen …”
    “Ich bleibe einfach unten”, wehrte Dante ab. “Ich muss ohnehin noch ein paar Anrufe erledigen und für morgen meinen Rückflug nach Atlanta organisieren. Hal muss sich um nichts kümmern. Ich werde es mir in einem Sessel in der Bibliothek bequem machen und ein bisschen schlafen.”
    “Sind Sie sicher?”
    Er nickte. “Aber Sie sollten jetzt schlafen gehen.”
    “Ich bleibe heute Nacht bei Leslie Anne. Schlafen werde ich wohl nicht können, aber ich versuche, mich ein bisschen auszuruhen.”
    Dante drehte sich um und ging. Tessa beobachtete, wie er im Gang verschwand, und ging zurück ins Zimmer ihrer Tochter. Leslie Anne lag friedlich da und schlief wie das unschuldige Kind, das sie noch vor zwei Tagen gewesen war. Tessa nahm eine Kaschmirdecke von dem Klubsessel in der Ecke, ließ sich hineinfallen und deckte sich mit der herrlich weichen Decke zu.
    Als sie so im Halbdunkel dasaß, dachte sie, Leslie Anne würde sich ihr Leben lang an die Nacht erinnern, in der sie knapp einer Vergewaltigung entging. Sie würde vielleicht jahrelang Albträume haben, in ihren Träumen immer wieder den Täter sehen, seine Stimme hören, seine Berührung spüren. Sie wünschte, sie könnte diese Erinnerungen aus dem Gedächtnis ihrer Tochter löschen.
    Aber würde es ihr das leichter machen? War es für mich, obwohl ich mich an nichts erinnere, leichter zu akzeptieren, dass ich beinahe zu Tode geprügelt,

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