Das Gesicht der Anderen
ihrer Mutter gedrückt. “Bin ich das Ergebnis von … Wurdest du damals …”
“Wir reden später darüber. Zu Hause.”
Oh Gott, sie weiß es. Irgendwie hat Leslie Anne die Wahrheit erfahren. Deshalb ist sie davongerannt.
“Großvater macht sich fürchterliche Sorgen. Er wird sich freuen, dich zu sehen.” Tessa wusste, dass sie selbst jetzt nicht zusammenbrechen durfte. Sie musste stark sein – für ihre Tochter.
Die Krankenschwester reichte Dante einen schwarzen Ledermantel und verließ das Zimmer, ohne noch etwas zu sagen. Dante wechselte rasch einen Blick mit Tessa, dann wies er mit einem Kopfnicken auf die geschlossene Zimmertür. Tessa verstand. Sie mussten los.
Nachdem er sich den Mantel über den Arm gelegt hatte, ging er hinüber zu Leslie Anne, legte ihr die Hand auf den Rücken und sagte: “Wollen wir dich nach Hause bringen?”
Leslie Anne hob den Blick und sah ihn an. “Sie kommen doch mit, oder nicht?”
“Auf jeden Fall.”
“Vielen Dank für alles.” Leslie Anne drehte sich um.
Dante legte Leslie Anne den Mantel um die Schultern und knöpfte ihn am Kragen zu. “Es ist kalt draußen. Den solltest du auf dem Weg zum Hubschrauber lieber anziehen.”
Leslie Anne verschränkte die Arme und drückte den Mantel an sich, wie um sich mit ihm zu trösten. In diesen Mantel hatte Dante Leslie Anne gewickelt, als er sie wenige Stunden zuvor aus dem Motel geführt hatte.
Sie waren beide nackt.
Dantes Worte hallten in Tessas Kopf wider. Hatte Dante ihre Tochter in das Bettlaken gehüllt und ihr dann den Mantel umgehängt, um sie vor der Kälte zu schützen?
“Was ist mit meinem Auto? Ich meine, Hannahs Auto?”, fragte Leslie Anne plötzlich. Sie ließ den Kopf hängen. “Mama, es tut mir leid, dass ich abgehauen bin. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich machen sollte.”
“Ist schon okay”, sagte Tessa. “Wir haben alle Zeit der Welt, um darüber zu sprechen. Lass uns erst mal nach Hause fahren.”
“Lucie wird Hannahs Wagen zurück nach Fairport bringen”, sagte Dante. “Und morgen früh holt sie dann dein Auto bei Hannah ab.” Er öffnete die Tür und hielt sie den beiden Frauen auf. “Der Hubschrauber wartet. Wollen wir?”
Tessa sah ihre Tochter an, und die nickte. “Ja, wir sind so weit”, sagte Tessa. “Fliegen wir nach Hause.”
6. KAPITEL
D ante stieg als Erster aus dem Helikopter, als sie auf dem Flugplatz von Fairport gelandet waren. Er half Leslie Anne und Tessa beim Aussteigen. Als die beiden so nebeneinander standen, bemerkte er wieder, dass Leslie Anne ihre Mutter um einige Zentimeter überragte. Sie waren beide schlank und blond, beide sehr attraktiv, und Leslie Anne war auch in ihrem Habitus ihrer Mutter sehr ähnlich. Es bestand kein Zweifel: die beiden waren Mutter und Tochter.
Es kann also nicht sein, dass Leslie Anne Amys Kind ist.
Dante musste sich diese Tatsache immer wieder ins Gedächtnis rufen, denn Leslie Annes Ähnlichkeit mit Amy Smith beruhte weder auf seiner Einbildung noch auf Wunschdenken. Sie sah nicht nur exakt aus wie Amy – gut, sie war größer und hatte braune Augen – auch ihre Stimme klang wie Amys. Aber auch Tessas Stimme erinnerte ihn an Amy.
Noch vierundzwanzig Stunden, dann war dieser Fall hier abgeschlossen. Und er hatte endlich die Gelegenheit herauszufinden, ob Tessa Westbrook auf irgendeine Weise mit Amy Smith verwandt war. Es musste eine Erklärung dafür geben, warum Tessas Tochter als Double des Teenagers Amy Smith durchgehen könnte. Der Mann, der Leslie Anne gezeugt hatte, war sicher kein Blutsverwandter von Amy.
“Da ist Daddy”, sagte Tessa und stöhnte. “Oh nein. Und sie ist auch dabei.”
“Warum musste er sie mitbringen?”, wiederholte Leslie Anne genervt.
Dante sah zu, wie G. W. heraneilte, eine attraktive rothaarige Frau im Schlepptau.
Das ist seine Freundin?
Als sie näher kamen, stellte Dante fest, dass die Frau nicht so jung war, wie sie auf die Entfernung gewirkt hatte. Dante schätzte sie auf Mitte fünfzig. In jüngeren Jahren musste Olivia Sizemore eine echte Schönheit gewesen sein. Sie sah immer noch hervorragend aus.
G. W. schloss seine Enkelin in die Arme und drückte sie. “Tu so was nie wieder, mein Schatz! Wir sind fast verrückt geworden vor Sorge!”
“Es tut mir leid. Ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte.” Leslie Anne begann wieder zu weinen.
G. W. tätschelte sie liebevoll. “Genug davon. Egal, was war, wir kriegen es wieder hin.”
“Manche Sachen kriegt man
Weitere Kostenlose Bücher