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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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lückenhaften Sicherheitsmaßnahmen bekannt.
    »Nein, das geht in Ordnung.«
    Das Haus in Murray Hill war frei, wusste Sachs. Sie nannte der Beamtin die Adresse und den Namen des zuständigen Mannes beim NYPD.
    Die INS-Agentin sah Wu an. »Wieso könnt ihr nicht einfach zu Hause bleiben und dort eure Probleme lösen?«, fragte sie im Tonfall einer missmutigen Oberlehrerin. »Ihre Frau und die Kinder sind beinahe ums Leben gekommen.«
    Wu sprach kaum Englisch, verstand aber offenbar, was sie sagte. »Nicht unsere Schuld!«, rief er und stand wild gestikulierend auf. »Nicht unsere Schuld, dass hergekommen!« Er beugte sich vor und starrte die Beamtin an.
    »Nicht Ihre Schuld?«, fragte sie amüsiert. »Wer trägt denn Ihrer Meinung nach die Verantwortung dafür?«
    »Euer Land!«
    »Wie das?«
    »Sehen Sie nicht? Schauen Sie um! All euer Geld und Reichtum, euer Werbung, euer Computer, euer Nikes und Levis, Autos, Haarspray. Euer Leonardo DiCaprio, euer schöne Frauen. Euer Pillen gegen alles, euer Makeup, euer Fernsehen! Ihr erzählt ganzer Welt, dass bei euch alles gibt! Mei Guo voller Geld, voller Freiheit, voller Sicherheit! Ihr sagt uns allen, wie gut hier ist. Ihr nehmt unser Geld, aber zu uns ihr sagt meiyou, geh weg! Ihr sagt uns, in China Menschenrechte furchtbar, aber wenn wir wollen herkommen, ihr sagt meiyou!«
    Der dünne Mann verfiel kurz ins Chinesische und beruhigte sich dann. Er musterte die Frau von oben bis unten und nickte mit Blick auf ihr blondes Haar. »Wer Ihr Vorfahr? Italiener, Englisch, Deutsch? Die etwa schon immer in diese Land gewesen? Na, sagen Sie.« Er winkte verärgert ab, setzte sich auf die Bettkante und legte seiner Frau die Hand auf den unversehrten Arm.
    Die Agentin schüttelte den Kopf und lächelte herablassend, als würde die Begriffsstutzigkeit des Illegalen sie verwundern.
    Sachs überließ die traurige Familie vorerst ihrem Schicksal und bedeutete Li, ihr nach draußen zu folgen. Am Straßenrand blieben sie kurz stehen und liefen dann hastig zwischen zwei schnellen Taxis hindurch. Amelia fragte sich, ob der zweite Wagen wohl dicht genug an ihr vorbeigefahren war, um allen Dämonen, die sie verfolgten, den Schwanz abzuschneiden.
    Das Gebäude und seine Tiefgarage waren nahezu lückenlos abgeriegelt, ganz im Gegensatz zu den zusätzlich vorhandenen unterirdischen Parkdecks auf der anderen Straßenseite.
    Die Furcht vor Terroranschlägen hatte die Verwaltung bewogen, den Zugang zur Garage des Manhattan Federal Plaza einzuschränken. Hier arbeiteten dermaßen viele Bundesbedienstete, dass eine gründliche Kontrolle der zahllosen Privatfahrzeuge zu unvertretbaren Engpässen geführt hätte, also ließ man nur die ranghöchsten Beamten direkt unter dem Gebäude parken. Alle anderen mussten auf den nebenan verfügbaren Parkraum ausweichen. Auch dort gab es natürlich Sicherheitsvorkehrungen, aber da diese zweite Garage unter einem kleinen Park lag, würde sich sogar der schlimmstmögliche Bombenschaden noch in Grenzen halten.
    Heute Abend um neun ließ der Objektschutz allerdings zu wünschen übrig, weil der an der Einfahrt Dienst tuende Posten durch einen spektakulären Vorfall abgelenkt wurde: Auf dem Broadway hatte ein Lieferwagen Feuer gefangen und brannte unter den neugierigen Blicken Hunderter von Schaulustigen vollständig aus.
    Der untersetzte Wachmann war aus seiner Kabine getreten und sah nun dabei zu, wie aus den Fenstern des Fahrzeugs orangefarbene Flammen loderten und schwarze Rauchschwaden aufstiegen.
    Daher entging ihm, dass ein schmächtiger Mann, im Anzug und mit Aktenkoffer, die Zufahrtsrampe betrat und nach unten in die halb leere Garage eilte.
    Er hatte sich das amtliche Kennzeichen des Wagens genau eingeprägt und benötigte nur fünf Minuten, um ihn zu finden; das marineblaue Dienstfahrzeug stand dicht neben dem Hauptausgang. Der Fahrer hatte diesen begehrten Stellplatz nur deswegen erwischt, weil er erst vor einer halben Stunde eingetroffen war - weit nach Feierabend, sodass die meisten der Angestellten sich längst zu Hause befanden.
    Wie fast alle Dienstwagen - so hatte man dem Mann versichert - verfügte auch dieser über keine Alarmanlage. Der Fremde schaute sich kurz um, zog Stoffhandschuhe an, hebelte das Fahrerfenster mit einem Keil ein kleines Stück beiseite, schob eine Drahtschlaufe in den Schlitz und zog den Verriegelungshebel des Türschlosses hoch. Dann öffnete er den Aktenkoffer, nahm eine große Papiertüte heraus und warf einen letzten

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