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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Block erfahren. Viele der Schlangenköpfe bringen hier ihre Neuankömmlinge unter. Also bin ich hergekommen, habe die Augen offen gehalten, ein paar Fragen gestellt und herausgefunden, dass erst heute eine Familie hier eingezogen ist, deren Beschreibung genau auf die Wus passt. Und bei einem Blick durch das hintere Fenster habe ich dann diesen Kerl mit der Waffe gesehen. He, haben Sie auch zunächst einen Blick durch das Fenster geworfen, Hongse?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Vielleicht hätten Sie das tun sollen. Das ist keine schlechte Grundregel. Immer zuerst einen Blick durch das hintere Fenster werfen.«
    »Da haben Sie durchaus Recht, Sonny.« Sie nickte in Richtung der Leiche.
    »Zu schade, dass er tot ist«, sagte Li betrübt. »Er hätte sich als nützlich erweisen können.«
    »Sie foltern doch nicht wirklich Verdächtige, um sie zum Reden zu bringen, oder?«, fragte sie.
    Der chinesische Polizist schenkte ihr ein rätselhaftes Lächeln. »Hongse, wie haben Sie die Wus gefunden?«, fragte er.
    Sachs erklärte ihm, dass die Verletzungen der Frau sie auf die richtige Fährte geführt hatten.
    Li nickte. Rhymes logischer Verstand beeindruckte ihn. »Aber was ist mit dem Geist geschehen?«
    Sie schilderte ihm den verfrühten Schuss und die daraus resultierende Flucht des Schlangenkopfs.
    »Coe?«
    »Ja«, bestätigte sie.
    »Großer Mist. Ich mag den Mann nicht. Als er bei dieser Tagung in Fuzhou war, hat kaum jemand ihm vertraut. Er schien sich für etwas Besseres zu halten und hat mit uns geredet, als ob wir Kinder wären. Den Geist wollte er ganz allein erledigen, und er hat nur schlecht über die Immigranten gesprochen. Immer wenn wir ihn gebraucht haben, war er verschwunden.« Li betrachtete den Tyvek-Overall und runzelte die Stirn. »Warum tragen Sie diesen Anzug, Hongse?«
    »Um die Spuren nicht zu verunreinigen.«
    »Schlechte Farbe. Man sollte kein Weiß tragen. In meiner Heimat ist das die Farbe des Todes und der Beerdigungen. Werfen Sie ihn weg, und besorgen Sie sich einen roten Anzug. In China gilt Rot als Glücksbringer. Blau wäre auch nicht gut, ein roter Anzug muss es sein.«
    »Ich bin in Weiß schon Zielscheibe genug.«
    »Das ist nicht gut«, betonte er. »Ich habe ein schlechtes Gefühl.« Er erinnerte sich an das Wort, das er von Deng gelernt hatte. »Es ist ein schlechtes Omen, würde ich sagen.«
    »Ich bin nicht abergläubisch«, versicherte Sachs.
    »Ich schon«, sagte Li. »Die meisten Chinesen sind es. Sie sagen ständig Gebete auf, bringen Opfer dar oder schneiden dem Dämon den Schwanz ab .«
    »Was schneiden sie?«, unterbrach Sachs.
    »Bei uns nennt man das so. Wissen Sie, Dämonen bleiben einem immer dicht auf den Fersen, also muss man möglichst knapp vor einem herannahenden Wagen eine Straße überqueren. Auf diese Weise wird dem Dämon der Schwanz abgeschnitten, und er verliert seine Macht.«
    »Kommt es dabei nicht zu Unfällen?«
    »Manchmal.«
    »Und begreifen die Leute dann nicht, dass es nicht funktioniert?«
    »Nein, sie glauben einfach, dass der Dämon bisweilen schneller ist und dich vorher erwischt.«
    Schneiden dem Dämon den Schwanz ab...
    Sachs ließ sich von ihm versprechen, dass er die Tatorte nicht betreten würde - wenigstens nicht, bevor sie ihre Arbeit abgeschlossen hatte -, nahm sich dann die Leiche des Bewaffneten vor, schritt sorgfältig die Wohnung ab und untersuchte schließlich den zerschossenen Wagen des Geists. Nachdem alle Spuren eingetütet und registriert waren, zog sie den Overall wieder aus.
    Danach fuhr sie mit Li in die Klinik. Die inzwischen vereinte Familie Wu saß in einem Zimmer, das von zwei uniformierten Polizisten und einer unnahbaren INS-Agentin bewacht wurde. Sachs versuchte, so viele Informationen wie möglich zu erhalten; Li und die Beamtin übersetzten das Gespräch. Auch der hagere, verbitterte Wu Qichen wusste nicht, wo sich das hiesige Versteck des Geists befand, doch er konnte immerhin mit einigen Angaben über die Changs aufwarten, darunter der Name des Kleinkinds in ihrer Obhut: Po-Yee, was »Geliebtes Kind« bedeutete.
    Welch ein wunderschöner Name, dachte Amelia.
    »Werden die Leute in Gewahrsam genommen?«, fragte sie die INS-Agentin.
    »Ja, bis zur Anhörung.«
    »Hätten Sie etwas dagegen, sie in einer unserer bewachten Wohnungen unterzubringen?« Zum Schutz wichtiger Zeugen verfügte das NYPD in der Stadt über mehrere unauffällige Häuser. Die Untersuchungsgefängnisse der Einwanderungsbehörde waren für ihre

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