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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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prüfenden Blick hinein. Er sah ein etwa dreißig Zentimeter langes Bündel aus gelben Stangen, auf denen die Worte VORSICHT! SPRENGSTOFF! GEBRAUCHSANWEISUNG BEACHTEN! geschrieben standen. In einer der Stangen steckte eine Zündkapsel, deren Drähte zu einem Batteriekästchen und weiter zu einem simplen Druckschalter führten. Der Mann platzierte die Tüte unter dem Fahrersitz, wickelte etwas Draht ab und steckte den Kontaktgeber zwischen die Sitzfedern. Sobald jemand von mehr als vierzig Kilogramm Körpergewicht hinter dem Steuer Platz nahm, würde er dadurch den Stromkreis schließen und die Detonation auslösen.
    Zum Schluss stellte der Fremde den Kippschalter des Batteriekästchens von AUS auf EIN, schloss und verriegelte die Wagentür und verließ die Garage, indem er wie selbstverständlich an dem immer noch unaufmerksamen Sicherheitsbeamten vorbeiging, der gedankenverloren der Feuerwehr beim Löschen des brennenden Fahrzeugs zusah. Der Posten wirkte ein wenig enttäuscht - als bedauere er, dass der Benzintank nicht spektakulär explodiert war, wie man es aus Actionfilmen und Fernsehserien kannte.
     
     
    ...Sechsundzwanzig
    Sie saßen schweigend vor dem kleinen Fernseher und verfolgten eine Sondersendung der Nachrichten. Immer wenn seine Eltern ein Wort nicht verstanden, übersetzte William es für sie.
    Die Namen der Leute, die an der Canal Street beinahe einem Mordanschlag zum Opfer gefallen wären, wurden nicht genannt, aber es musste sich um Wu Qichen und seine Familie handeln: Es hieß, sie seien am heutigen Morgen an Bord der Fuzhou Dragon eingetroffen. Einer der Handlanger des Geists war erschossen worden, doch der Schlangenkopf selbst und ein oder zwei weitere Komplizen hatten sich absetzen können.
    Die Sendung endete, und Werbespots flimmerten über den Schirm. William stand auf, ging zum Fenster und sah auf die dunkle Straße hinaus.
    »Geh da weg«, rief Chang, doch sein Sohn blieb trotzig stehen.
    Kinder. dachte Chang.
    »William!«
    Schließlich trat der Junge zurück und ging ins Schlafzimmer. Ronald schaltete die Fernsehkanäle durch.
    »Nein«, sagte Sam Chang zu ihm. »Lies etwas. Nimm dir ein Buch, und trainiere dein Englisch.«
    Gehorsam stand der Kleine auf, ging zum Regal, suchte sich einen Band aus und nahm wieder auf dem Sofa Platz, um zu lesen.
    Mei-Mei nähte ein kleines Stofftier für Po-Yee fertig - offenbar eine Katze. Dann nahm sie das Spielzeug und ließ es über die Sessellehne hüpfen. Das Mädchen griff mit beiden Händen danach und betrachtete es glücklich.
    Changs Vater stöhnte auf. Er lag noch immer auf der Couch, und die Decke, in die sie ihn gewickelt hatten, war praktisch genauso grau wie seine Haut.
    »Baba«, flüsterte Chang und stand sofort auf. Er holte die Medizin des Mannes, schraubte den Deckel ab und gab ihm eine Morphiumtablette. Dann hielt er ihm eine Tasse kalten Tee an den Mund, so dass Chang Jiechi die Pille leichter schlucken konnte. Zu Beginn seiner Krankheit - als sich auf einmal Hitze und Feuchtigkeit in Magen und Eingeweiden, den Yang-Organen seines Körpers, ausgebreitet hatten - waren sie zu ihrem Hausarzt gegangen und hatten dort Kräuter und Stärkungsmittel erhalten. Bald jedoch wurden die Schmerzen zu stark, und ein anderer Arzt diagnostizierte Krebs, aber aufgrund von Changs Dissidentenstatus konnte sein Vater nicht darauf hoffen, auf den langen Behandlungswartelisten des Krankenhauses jemals einen der vorderen Plätze zu erreichen. Das Gesundheitssystem Chinas war im Umbruch begriffen. Immer öfter traten private Kliniken an die Stelle der staatlichen Hospitäler, doch sie waren sehr teuer - eine einzige Behandlung verschlang bis zu zwei Monatsgehälter, und für eine Familie, die verzweifelt ums Überleben kämpfen musste, stand eine Krebstherapie außer Diskussion. Chang konnte sich letztlich nur an einen »Barfußdoktor« wenden, der nördlich von Fuzhou auf dem Land praktizierte, einen jener Männer, die von der Regierung zu Behelfsärzten ernannt und einer kurzen Schulung unterzogen worden waren. Um Chang Jiechis Leiden zu lindern, verschrieb er dem Kranken Morphium. Darüber hinaus konnte er kaum etwas tun.
    Die Tablettenflasche war ziemlich groß, würde aber höchstens einen Monat reichen, und der Zustand seines Vaters verschlechterte sich rapide. Chang recherchierte daraufhin im Internet und fand heraus, dass es in New York eine berühmte Klinik gab, die auf die Behandlung von Krebspatienten spezialisiert war. Er wusste, dass sein

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