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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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in den Augen und trübte ihre Sicht, aber sie erkannte am Strand neben einer Trage und einer großen grünen Sauerstoffflasche zwei Sanitäter, die sie mit weit ausholenden Gesten zu sich winkten.
    Danke, Jungs... Ich versuch's ja.
    Sie steuerte nach Kräften auf die beiden zu, aber die rücklaufende Brandung war nahezu übermächtig. Als Amelia einen kurzen Blick auf den Felsen warf, an den der Mann sich geklammert hatte, musste sie feststellen, dass sie trotz aller Bemühungen erst ungefähr drei Meter vorangekommen waren.
    Tritt stärker. Stärker!
    In Gedanken sagte sie eines ihrer ganz persönlichen Mantras auf: Wenn du in Schwung bist, kriegt dich keiner.
    Nur noch zwei, drei Meter. Doch letztlich musste sie innehalten, um nach Luft zu schnappen, und sah bestürzt mit an, wie die Strömung sie sofort wieder vom Ufer wegzog.
    Komm schon, streng dich an.
    Der teilnahmslose Mann hatte das Bewusstsein verloren und zog sie nach unten. Sachs strampelte mit aller Kraft. Dann erlitt sie einen Wadenkrampf, schrie auf und versank. Das trübe graue Wasser, voller Algen und Sand, schlug über ihr zusammen. Mit einer Hand hielt sie das Hemd des Flüchtlings fest, mit der anderen hämmerte sie sich auf die Wade, um den Krampf zu lockern, und bei all dem versuchte sie, so lange wie möglich den Atem anzuhalten.
    Ach, Lincoln, dachte sie. Es ging abwärts. immer tiefer in das dunkle Wasser.
    O Gott! Was war das denn?
    Ein Barrakuda, ein Hai, ein schwarzer Aal. schoss durch die schmutzigen Fluten heran und legte sich um Amelias Brust. Instinktiv wollte sie nach dem Springmesser greifen, das in ihrer Gesäßtasche steckte, aber ihr Arm wurde durch dieses eklige Biest dicht an den Körper gepresst. Es zog sie hinauf, und wenige Sekunden später durchbrach sie die Oberfläche und sog gierig Luft in ihre brennende Lunge.
    Sie sah nach unten. Das Tier erwies sich als Arm eines Mannes, der in einem schwarzen Neoprenanzug steckte.
    Der Rettungstaucher spuckte den Lungenautomaten seiner Pressluftflasche aus. »Ganz ruhig, Miss, ich hab Sie. Es ist alles in Ordnung.«
    Ein zweiter Taucher kümmerte sich um den Verletzten und hielt dessen Kopf über Wasser.
    »Ein Krampf«, keuchte Sachs. »Ich kann mein Bein nicht bewegen. Es tut furchtbar weh.«
    Er griff mit einer Hand nach unten, nahm ihr Bein und drückte ihren Fußballen in Richtung Körper, so dass die Wadenmuskulatur gestreckt wurde. Kurz darauf verflog der Schmerz. Sie nickte.
    »Bewegen Sie sich nicht. Ganz locker. Ich bringe Sie raus.« Er zog sie in Rückenlage zum Ufer, während sie den Kopf in den Nacken legte und sich auf das Atmen konzentrierte. Seine kräftigen Beine brachten sie dank der Flossen schnell voran. »Das war ziemlich mutig von Ihnen«, sagte er. »Die meisten Leute hätten dem Mann einfach beim Sterben zugesehen.«
    Der Weg durch das kalte Wasser schien ewig zu dauern. Endlich spürte Sachs Kiesel unter den Füßen. Sie stolperte an Land und nahm aus den Händen eines der Sanitäter eine Decke entgegen. Nachdem sie wieder etwas zu Kräften gekommen war, ging sie zu dem Flüchtling, der auf der Trage lag und eine Sauerstoffmaske auf dem Gesicht hatte. Er wirkte benommen, war jedoch wieder bei Bewusstsein. Einer der Sanitäter hatte ihm das Hemd aufgeknöpft und versorgte die blutige Wunde.
    Sachs wischte sich so gut es ging den Sand von Füßen und Beinen, zog ihre Schuhe an und schnallte sich den Waffengürtel wieder um. »Wie geht's ihm?«
    »Die Verletzung ist nicht allzu schlimm. Der Schütze hat ihn zwar in die Brust getroffen, aber aus einem für das Opfer günstigen Winkel. Dennoch müssen wir aufpassen; er ist unterkühlt und sehr erschöpft.«
    »Kann ich ihm einige Fragen stellen?«
    »Machen Sie's kurz«, erwiderte der Sanitäter. »Er braucht Sauerstoff und Ruhe.«
    »Wie heißen Sie?«, fragte Sachs den Immigranten.
    Er hob die Sauerstoffmaske an. »John Sung.«
    »Ich bin Amelia Sachs von der New Yorker Polizei.« Sie zeigte ihm ihren Dienstausweis. Es war strikte Vorschrift. »Was ist passiert?«
    Abermals hob der Mann die Maske an. »Ich wurde aus dem Rettungsboot geschleudert. Der Schlangenkopf vom Schiff - wir nennen ihn den Geist - hat mich gesehen und ist ans Ufer gekommen. Sein erster Schuss ging daneben. Ich bin ein Stück getaucht, aber irgendwann musste ich Luft holen. Darauf hatte er nur gelauert. Der zweite Schuss war ein Treffer. Ich habe mich tot gestellt, und als ich wieder hinsah, stieg er gerade in einen roten Wagen und fuhr

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