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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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keine weiteren Spuren sicherstellen. »Ich glaube, hier können wir nicht mehr viel tun, Rhyme. Ich werde die Beweismittel verbuchen und mich dann auf den Rückweg machen.« Sie beendete das Gespräch.
    Beim Wagen der Spurensicherung zog sie den Tyvek-Anzug aus, verzeichnete sorgfältig alle Funde und versah sie mit den vorgeschriebenen Registrierkarten. Dann wies sie die Techniker an, das gesamte Material so schnell wie möglich bei Rhyme abzuliefern. Obwohl kaum noch Hoffnung bestand, wollte sie ein letztes Mal nach Überlebenden Ausschau halten. Ihre Knie standen buchstäblich in Flammen - sie hatte die chronische Arthritis ihres Großvaters geerbt. Die Krankheit machte ihr häufig zu schaffen, aber erst jetzt, da niemand in der Nähe war, gestattete sie sich den Luxus langsamer Bewegungen. Im Beisein von Kollegen ließ sie sich nach Möglichkeit nie etwas anmerken, denn sie musste befürchten, aus Gesundheitsgründen an den Schreibtisch verbannt zu werden, falls die Chefetage von ihrem Zustand Wind bekam.
    Als sie nach fünfzehn Minuten noch immer keine Spur von weiteren Flüchtlingen entdeckt hatte, kehrte sie zu ihrem Camaro zurück. Inzwischen befand sich kein weiteres Fahrzeug mehr an diesem Teil des Strandes. Amelia war allein; ihr Begleiter von der ESU hatte sich für eine weniger gefährliche Rückfahrgelegenheit entschieden.
    Der Nebel war nicht mehr so dicht. In einem knappen Kilometer Entfernung konnte Sachs auf der anderen Seite der Stadt mit etwas Mühe zwei Krankenwagen des Suffolk County und daneben eine zivile Ford-Limousine ausmachen, die dem INS gehörte, falls Amelia sich richtig erinnerte.
    Ächzend ließ sie sich auf den Fahrersitz sinken, zog einen Zettel hervor und hielt in einigen Stichworten ihre Eindrücke vom Schauplatz fest, um diese später Rhyme und dem Team präsentieren zu können. Der Wind ließ den leichten Wagen schaukeln, und der Regen trommelte lautstark auf das Blech der Karosserie. Als Sachs kurz aufblickte, sah sie, wie eine Woge sich dramatisch an einem hervorspringenden schwarzen Felsen brach und drei Meter hohe Gischt aufspritzen ließ.
    Amelia kniff die Augen zusammen und wischte mit ihrem Ärmel die beschlagene Windschutzscheibe sauber.
    Was war das? Ein Tier? Ein Wrackteil der Fuzhou Dragon?
    Nein, wurde ihr schlagartig klar; es war ein Mann. Verzweifelt klammerte er sich an den Felsen.
    Sachs schnappte sich das Funkgerät und schaltete auf die Frequenz der hiesigen Einheiten. »Hier ist die NYPD Spurensicherung, Einheit Fünf Acht Acht Fünf, für die Rettungsteams des Suffolk County am Strand bei Easton. Hört ihr mich?«
    »Roger, Fünf Acht Acht Fünf. Was gibt's?«
    »Ich bin einen halben Kilometer östlich der Stadt. Hier schwimmt jemand im Wasser. Ich benötige Unterstützung.«
    »Verstanden«, kam die Antwort. »Wir sind unterwegs. Ende.«
    Sachs stieg aus und lief zum Ufer. Sie sah, wie eine große Welle den Mann von dem Felsen hob und ins Wasser warf. Er versuchte zu schwimmen, aber er schien verletzt zu sein, und so gelang es ihm lediglich, mit Mühe und Not den Kopf über Wasser zu halten. Einmal ging er kurz unter und kam nur unter großen Anstrengungen wieder nach oben.
    »O Mann«, murmelte Sachs und schaute zurück zur Straße. Der gelbe Krankenwagen bog gerade erst auf den Asphalt ein.
    Der Flüchtling stieß einen erstickten Schrei aus und glitt unter die Oberfläche. Es blieb keine Zeit, um auf die Profis zu warten.
    Auf der Polizeiakademie hatte Sachs die Grundregel aller Lebensretter gelernt: »So trocken wie möglich, so nass wie nötig.« Das hieß, man sollte einen Ertrinkenden vom Ufer oder einem Boot aus zu retten versuchen, bevor man selbst ins Wasser sprang. Tja, hier blieb ihr leider keine große Auswahl.
    Also, dachte sie: Hinein!
    Sie ignorierte den stechenden Schmerz in ihren Knien und schnallte im Laufen den Waffengürtel ab. Dann öffnete sie die Schnürsenkel, schleuderte ihre Schuhe beiseite und watete in die kalten, aufgewühlten Fluten, den Blick unverwandt auf den erschöpften Schwimmer gerichtet.
     
     
    ...Acht
    Sonny Li kroch aus dem Gebüsch hervor und verfolgte, wie die rothaarige Frau ihre Schuhe auszog und ins Meer stieg, sich dann abstieß und auf jemanden zuschwamm, der im Wasser ums Überleben kämpfte.
    Li konnte nicht erkennen, um wen es sich dabei handelte - es musste entweder John Sung oder der junge Ehemann aus dem Boot sein. Wie auch immer, Lis Aufmerksamkeit richtete sich sogleich wieder auf die Frau, die er von

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