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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sie.
    »Nicht wirklich«, sagte er nach einer Weile.
    »Was ist los?«
    »Keine Ahnung. Was nützt es uns, zu wissen, wo er gesessen hat? Er trägt diese beschissenen Schuhe mit den glatten Sohlen. Es ist die einzige Stelle, von der wir mit Sicherheit annehmen können, dass der Geist persönlich dort eine kurze Zeitspanne verbracht hat, aber was für Spuren gibt es da?«
    Sachs war noch immer angewidert, fühlte sich besudelt von den Empfindungen des Geists. Sie sah zu dem Stuhl und wandte den Blick sofort wieder ab. Es gelang ihr nicht, einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Mir fällt einfach nichts ein«, sagte Rhyme verärgert.
    »Ich. «
    »Da muss etwas sein«, fuhr er fort. Sie hörte, wie frustriert er war, und vermutete, dass er am liebsten selbst hergekommen wäre, um den Tatort zu untersuchen.
    »Ich weiß es auch nicht«, sagte sie entmutigt.
    Sie starrte den Stuhl an, aber vor ihrem inneren Auge sah sie das Messer, wie es immer wieder in Jerry Tangs Fleisch schnitt.
    »Mist«, sagte Rhyme. »Das kann doch nicht alles sein. Steht der Stuhl aufrecht?«
    »Der, von dem aus der Geist zugesehen hat? Ja.«
    »Aber was fangen wir mit dieser Tatsache an?« Er schien die letzte Hoffnung zu verlieren.
    Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Lincoln Rhyme fand stets zu einer abschließenden Beurteilung. Und wieso klang er, als hätte er versagt? Sein Tonfall beunruhigte sie. Grübelte er immer noch darüber nach, welche Rolle er bei dem Tod der Flüchtlinge und Besatzungsmitglieder der Fuzhou Dragon gespielt hatte?
    Sachs widmete sich wieder dem Stuhl, der mit einigen Überresten der späteren Zerstörungsorgie bedeckt war. Sie sah ganz genau hin. »Ich habe eine Idee. Warte einen Moment.« Sie trat näher und schaute unter den Stuhl. »Hier sind leichte Kratzspuren, Rhyme. Der Geist hat sich hingesetzt und vorgebeugt, um besser sehen zu können. Und seine Füße hat er dabei unter dem Stuhl gekreuzt.«
    »Und?«, fragte Rhyme.
    »Falls etwas in dem Saum zwischen dem Oberleder und der Schuhsohle gesteckt hat, könnte es herausgefallen sein. Ich sauge die Stelle ab. Mit etwas Glück führt uns der Fund genau zu seiner Haustür.«
    »Hervorragend, Sachs«, lobte Rhyme. »Hol den Staubsauger.«
    Voll fieberhafter Erwartung machte sie sich auf den Weg zur Tür, wo ihr Gerätekoffer stand. Plötzlich blieb sie jedoch stehen und lachte leise auf. »Nicht schlecht, Rhyme.«
    »Was denn?«
    »Tu nicht so unschuldig.« Sie begriff, dass er von den Spuren unter dem Stuhl gewusst hatte, und zwar gleich als sie zu dem Schluss gelangt war, der Geist habe das Blutbad als Zuschauer verfolgt. Doch er hatte erkannt, dass sie noch immer in der furchtbaren Welt des Geists gefangen war und er sie an einen besseren Ort führen musste - in den sicheren Hafen ihrer gemeinsamen Arbeit. Deshalb hatte er vorgegeben, völlig ratlos zu sein, damit sie sich auf ihn konzentrieren und einen Weg aus der Dunkelheit finden konnte.
    Genau genommen hatte er sie manipuliert, aber es war ein Täuschungsmanöver gewesen, das aufrichtige Zuneigung erkennen ließ.
    »Danke.«
    »Ich habe doch versprochen, ich würde dich zurückholen. Und jetzt hol den Sauger.«
    Sachs saugte den Boden unter dem Stuhl und im näheren Umkreis gründlich ab, nahm dann den Filter aus dem Gerät und verstaute ihn in einer Plastiktüte.
    »Was ist danach passiert?«, fragte Rhyme.
    Sie betrachtete die Anordnung der Blutspritzer. »Wie es aussieht, ist Tang irgendwann vor Schmerzen ohnmächtig geworden. Der Geist ist aufgestanden und hat ihn erschossen. Dann ist er abgehauen, und seine Handlanger haben alles verwüstet.«
    »Wie kommst du darauf, dass es in dieser Reihenfolge geschehen ist?«
    »Weil eine Patronenhülse unter einem Trümmerstück lag Und der Stuhl, auf dem der Geist gesessen hat, war mit Scherben und Papierfetzen übersät.«
    »Gut.«
    »Ich nehme jetzt elektrostatische Abdrücke der Schuhe«, sagte sie.
    »Halt keine langen Reden, und werd endlich fertig«, murrte Rhyme, der wieder ganz der Alte war.
    Sie ging hinaus und holte die erforderliche Ausrüstung. Bei diesem Verfahren wurde eine Spezialfolie auf den entsprechenden Schuhabdruck gelegt und dann kurz unter Strom gesetzt. Als Resultat erhielt man ein Abbild der Spur, vergleichbar einer plastischen Röntgenaufnahme.
    Als sie sich mit dem Rücken zum dunklen Lagerhaus hinkniete, roch sie auf einmal eine brennende Zigarette. O mein Gott, dachte sie erschrocken - einer der Killer war zurückgekehrt und

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