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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und hart im Nehmen. Der Großteil ihrer Tätigkeit bestand darin, den schlimmsten und ekelhaftesten Schmutz aufzuwischen.
    »Ungefähr vier Wochen, nachdem sie ihn kennengelernt hatten, erwähnte er zum erstenmal die Uhr –«
    »Die Uhr?« Abgesehen davon, daß sie bei der Leiche keine gefunden hatten, hatte eine Uhr bislang keine Rolle gespielt. Constable Harrison war zwar bei einem Pfandleiher auf ein Exemplar gestoßen, was sich jedoch als bedeutungslos erwiesen hatte.
    »Sie gehörte Joscelin Grey«, erklärte Hester. »Eine goldene Taschenuhr, die einen besonders großen, ideellen Wert für ihn besaß. Sie stammte von seinem Großvater, der Seite an Seite mit dem Duke of Wellington in der Schlacht bei Waterloo gekämpft hatte. An einer Stelle war sie eingedrückt; diese Delle war das Werk einer Kugel aus einer französischen Muskete, die an ihr abgeprallt war und seinem Großvater das Leben gerettet hatte. Der alte Mann schenkte sie ihm, als Joscelin zum erstenmal den Wunsch äußerte, Soldat werden zu wollen. Er sah in ihr eine Art Talisman. Joscelin meinte, der arme George wäre in der Nacht vor der Schlacht an der Alma furchtbar nervös gewesen – vielleicht handelte es sich auch um eine Art Vorahnung –, woraufhin er ihm die Uhr lieh. George fiel am nächsten Tag und konnte sie ihm nicht mehr zurückgeben. Joscelin machte keine große Sache daraus, aber er sagte, falls man sie ihnen zusammen mit Georges Sachen schicken würde, wäre er sehr dankbar, wenn er sie zurück haben könnte. Er beschrieb sie bis ins kleinste Detail, auch die Gravur auf der Innenseite des Deckels.«
    »Und – bekam er sie wieder?«
    »Nein. Niemand wußte, was mit der Uhr passiert war. Man fand sie weder bei seiner Leiche, noch unter seiner persönlichen Habe. Ich denke mir, daß sie gestohlen wurde; eine widerliche, aber weitverbreitete Unsitte in Kriegsgebieten. Meiner Familie war das Ganze sehr unangenehm, vor allem Papa.«
    »Und Joscelin Grey?«
    »Er war verständlicherweise betrübt, gab sich aber laut Imogen große Mühe, es zu verbergen. Er erwähnte das Thema so gut wie nicht mehr.«
    »Und Ihr Vater?«
    Sie starrte an Monk vorbei auf das im Wind raschelnde Laub in den Bäumen, ohne es wahrzunehmen. »Er konnte ihm die Uhr weder zurückbringen, noch konnte er sie ersetzen, weil das kostbarste an ihr der ideelle Wert war. Als Joscelin dann wenig später Interesse an einem bestimmten Unternehmensprojekt zeigte, hielt er es für seine Pflicht, ihm wenigstens die Teilhaberschaft anzubieten. Sowohl meinem Vater als auch Charles erschien das Vorhaben damals durchaus erfolgversprechend.«
    »Sprechen Sie von dem Projekt, bei dem Ihr Vater sein gesamtes Vermögen verlor?«
    Ihr Gesicht wurde hart.
    »Nicht alles, aber einen großen Teil, ja. Doch der Grund für seinen Selbstmord – Imogen hat ihn mittlerweile auch als solchen akzeptiert – war, daß er das Unternehmen an einige Freunde weiterempfohlen hatte. Manche von ihnen waren zu guter Letzt vollkommen ruiniert, und damit wurde er nicht fertig. Natürlich hatte Joscelin Grey ebenfalls sehr viel Geld verloren, so daß er sich selbst in einer prekären Lage befand.«
    »Wurden die freundschaftlichen Beziehungen von dem Moment an eingestellt?«
    »Nein, nicht sofort. Erst eine Woche später, als Papa sich erschoß. Joscelin Grey schickte ein Beileidsschreiben, woraufhin Charles ihm in einem Antwortbrief dankte und ihm vorschlug, den Umgang miteinander unter den gegebenen Umständen nicht fortzusetzen.«
    »Ja, ich habe diesen Brief gesehen. Grey hob ihn auf – ich weiß nicht warum.«
    »Wenige Tage später starb Mama. Sie brach zusammen und kam nicht wieder auf die Beine. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, gesellschaftliche Kontakte zu pflegen – sie waren alle in Trauer.« Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: »Wir sind es immer noch.«
    »Und nach dem Tod Ihres Vaters kam Imogen zu mir?« half er ihr nach einer Weile auf die Sprünge.
    »Ja, aber nicht gleich. Einen Tag nach Mamas Beerdigung. Ich kann mir nicht vorstellen, was Sie von Ihnen erwartet hat, aber Imogen war viel zu aufgeregt, um noch klar denken zu können, und wer kann ihr das schon verübeln? Sie wollte sich nicht mit dem abfinden, was wohl oder übel die Wahrheit war.«
    Sie kehrten um und gingen langsam zurück.
    »Sie kam also zum Revier?«
    »Ja.«
    »Und erzählte mir genau das, was Sie mir gerade berichtet haben?«
    »Ja. Sie stellten ihr eine Menge Fragen über Papas Tod: wie er starb, exakt um

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