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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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seinen Gedächtnisverlust im Bilde war! Bestimmt hatte er sich über seine geistige Verwirrung und Unsicherheit schier totgelacht.
    »O nein.« Monk machte ein bitteres Gesicht. »Nein, das gehört alles zusammen. Grey war an dem Unternehmen beteiligt.«
    »An einem Importgeschäft?« stieß der Kollege mit schriller Stimme aus. »Sagen Sie bloß nicht, er wurde wegen einer Schiffsladung Tabak ermordet!«
    »Der Tabak war nicht der Grund. Aber es wurde ein Haufen Geld investiert, und dann ging das Geschäft allem Anschein nach bankrott.«
    »Ach wirklich? Das war ja eine ganz neue Richtung von Marner.«
    »Wenn des derselbe Mann ist«, gab Monk zu bedenken. »Und ich bin mir keineswegs sicher. Alles, was ich über den Kerl weiß, ist sein Name – und den nicht mal vollständig. Wo kann ich ihn finden?«
    »Gun Lane dreizehn, Limehouse.« Der Mann schien zu überlegen. »Wenn Sie irgendwas rauskriegen, Monk, sagen Sie’s mir dann? Solang es nichts mit dem Mord zu tun hat, meine ich? Glauben Sie, Marner hat da die Finger drin?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich brauche nur ein paar Informationen. Falls ich auf irgendwelche Beweise für Betrug stoßen sollte, gebe ich sie an Sie weiter.« Er lächelte freudlos.
    »Ehrenwort.«
    Das Gesicht seines Gegenübers entspannte sich. »Danke, Monk. Nett von Ihnen.«
    Monk brach früh am Morgen auf und traf gegen neun in Limehouse ein. Er hätte auch schon früher dort sein können, wenn das einen Sinn gehabt hätte, denn ab sechs hatte er wach gelegen und sich den Kopf zerbrochen, was er sagen sollte.
    Für einen Fußmarsch war die Strecke von der Grafton Street aus zu lang, also beschloß er, eine Kutsche zu nehmen. Wenig später rollte er durch Clerkenwell und Whitechapel Richtung Osten, bis endlich die schmalen, überfüllten Docks und Limehouse in Sicht kamen. Es war ein stiller, ruhiger Morgen. Das Sonnenlicht verwandelte den Fluß in ein schimmerndes Band; auf den Wellenkronen zwischen den schwarzen Schleppkähnen, die den Pool of London hinuntergeschippert kamen, funkelte und glitzerte es. Auf der anderen Seite der Themse lagen Bermondsey – das »Venedig der Abwässerkanäle« – und Rotherhithe mit den Surrey Docks, vor ihm erstreckte sich die im Sonnenlicht flirrende Isle of Dogs. Ihr gegenüber, am anderen Ufer, folgte erst Deptfort und schließlich das wunderschöne Greenwich mit seinen zahllosen Grünflächen und Parks und der architektonisch bewundernswürdigen Marineakademie.
    Sein Weg führte ihn leider in die verkommenen Gassen von Limehouse, zu Bettlern, Wucherern und Dieben – und natürlich zu Zebedee Marner.
    Die Gun Lane ging von der West India Dock Road ab, und Monk fand die Hausnummer dreizehn ohne Schwierigkeiten. Er kam an zwei finster dreinschauenden Tagedieben vorbei, von denen der eine mitten auf dem Bürgersteig hockte, der andere in einem Hauseingang lehnte, wurde aber von keinem der beiden belästigt. Offensichtlich sah er nicht wie jemand aus, der sein Geld an Bettler verschenkte, und hatte einen zu forschen Schritt, als daß sie es für ratsam gehalten hätten, ihn zu überfallen. Schließlich gab es jede Menge andere, leichtere Beute. Er verachtete die jämmerlichen Gestalten und konnte sie gleichzeitig verstehen.
    Das Glück stand auf seiner Seite: Zebedee Marner war anwesend. Nachdem sein Sekretär ein paar dezente Erkundigungen eingeholt hatte, brachte er Monk in ein Büro im ersten Stock.
    »Guten Morgen, Mr. – Monk.« Marner saß hinter einem einschüchternden breiten Schreibtisch. Das weiße Haar fiel ihm in sanften Löckchen über die Ohren, die weißen Hände lagen auf einer in Leder eingefaßten Schreibunterlage. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Man hat Sie mir als äußerst vielseitigen Geschäftsmann empfohlen, Mr. Marner.« Es gelang Monk spielend, seinen Abscheu hinter glatten Worten zu verbergen.
    »Und Sie werden sehen, Mr. Monk, daß es der Wahrheit entspricht. Ihnen schwebt eine Investition vor?«
    »Was können Sie mir anbieten?«
    »Oh, alles mögliche. Wieviel möchten Sie investieren?« Marner beobachtete ihn scharf, was er hervorragend mit ungezwungener Fröhlichkeit zu tarnen verstand.
    »Für mich spielt Sicherheit eine große Rolle. Das ist mir wichtiger als schneller Profit«, sagte Monk, ohne auf seine Frage einzugehen. »Ich habe nicht die geringste Lust, mein Kapital zu verlieren.«
    »Natürlich nicht, wer hat das schon.« Marner spreizte die Hände und zuckte vielsagend mit den Schultern, mit kalten, starren

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