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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Tod das Leben genommen hat? Dawlish mag mit einem zukünftigen Geschäft zu tun haben, aber Latterly könnte an einem früheren beteiligt gewesen sein. Was halten Sie davon, Sir?« Evan schlang den Bissen hinunter, ohne sich um Geschmack oder Beschaffenheit der Speise zu kümmern; er war viel zu beschäftigt. »Vielleicht war an der Sache irgendwas nicht ganz sauber, woraufhin sich Latterly senior das Leben nahm, als es publik wurde, und Latterly junior, der mit dem Brief, sich rächte, indem er Grey erschlug?«
    Monk holte tief Luft. Er brauchte nur etwas mehr Zeit.
    »Der Brief klang zu beherrscht für einen Menschen, der aus Rachsucht tötet«, sagte er bedächtig, während er seinerseits zu essen begann. »Aber ich werde mich dahingehend umhören. Versuchen Sie Ihr Glück bei Dawlish und meinetwegen auch bei den Fortescues. Wir tappen bei beiden ziemlich im dunklen, was ihre Verbindung zu Grey betrifft.« Er durfte nicht zulassen, daß Evan Charles wegen seiner Untat zusetzte. Er mochte Charles nicht, aber schließlich gab es so etwas wie Ehrgefühl – und er war Hester s Bruder.
    »Genau –«, fügte er hinzu, »nehmen Sie sich ruhig auch die Fortescues vor.«
    Nachdem Evan am Nachmittag voll Enthusiasmus zu Dawlish und den Fortescues davongestürzt war, kehrte Monk zum Revier zurück und begab sich noch einmal zu dem Mann, von dem er Marners Adresse bekommen hatte. Sein Gesicht leuchtete auf, als er Monk hereinkommen sah.
    »Hallo, Monk. Ich schulde Ihnen was. Jetzt hat’s den guten alten Zebedee doch noch erwischt.« Er wedelte triumphierend mit dem Notizbuch. »Bin aufgrund des netten, kleinen Büchleins von Ihnen zu ihm gegangen und hab das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Du meine Güte, hatte der die Hosen voll!« Vor lauter Überschwang bekam er einen leichten Schluckauf.
    »Hatte überall die Finger drin, bei sämtlichen zwielichtigen Geschichten in ganz Limehouse – bis zur Isle of Dogs. Der Himmel weiß, wieviel tausend Pfund dem durch die Hände gegangen sind, dem alten Gauner.«
    Monk freute sich mit ihm; wenigstens hatte er einmal einen Beitrag zu einer anderen Karriere geleistet als seiner eigenen.
    »Ausgezeichnet. Die Art von Blutsaugern stelle ich mir immer gern dabei vor, wie sie sich ein paar Jährchen ihre Speckrollen in der Gefängnistretmühle ablaufen.«
    Der andere grinste.
    »Geht mir auch so, vor allem bei diesem Vogel. Ach, wußten Sie übrigens, daß die Tabakimportgesellschaft eine Scheinfirma war?« Sein Schluckauf meldete sich wieder, woraufhin er sich hastig entschuldigte. »Sie existierte zwar dem Namen nach, aber es bestand nie eine reelle Chance, daß sie tatsächlich ins Geschäft einsteigen, geschweige denn Gewinn abwerfen würde. Ihr guter Grey hat sein Geld genau im richtigen Moment zurückgezogen. Wenn er nicht tot wäre, hätte ich große Lust, ihm ebenfalls eine Klage anzuhängen.«
    Grey verklagen? Monk erstarrte. Bis auf einen kleinen Lichtstrudel vor seinen Augen und das Gesicht seines Gegenübers hatte sich der Raum plötzlich in Nichts aufgelöst.
    »Große Lust? Wieso nur Lust?« Er wagte kaum zu fragen. Hoffnung begann an ihm zu nagen wie ein schmerzhaftes Geschwür.
    »Weil es keine Beweise gibt«, erwiderte der Mann, ohne Monks Glücksgefühl zu bemerken. »Er tat nichts, was eindeutig illegal war, aber ich würd Stein und Bein drauf wetten, daß er bei dem Schwindel mitgemischt hat; war einfach zu clever, um übers Gesetz zu stolpern. Glauben Sie mir, er hat das Ganze auf die Beine gestellt und das Geld nach Hause gebracht.«
    »Aber er war doch selbst von dem Betrug betroffen«, protestierte Monk, der sich davor fürchtete, die Worte für bare Münze zu nehmen. Er konnte nur mit Mühe dem Drang widerstehen, den Mann zu packen und durchzuschütteln. »Sind Sie absolut sicher?«
    »Was denken Sie denn?« Der andere hob die Brauen. »Ich bin vielleicht nicht so ein brillanter Detektiv wie Sie, Monk, aber von meinem Job versteh ich was. Und einen Schwindler erkenn ich sieben Meilen gegen den Wind. Ihr Freund Grey war einer der Besten; hat unglaublich saubere Arbeit geleistet.« Er rutschte auf seinem Stuhl herum, bis er es möglichst bequem hatte. »Immer nur eine kleine Summe Geld, nie soviel, daß es aufgefallen wäre. Ein winziger Profit bloß – und eine blütenweiße Weste. Wenn er das gewohnheitsmäßig betrieben hat, muß er prächtig bei Kasse gewesen sein. Wie er allerdings die ganzen Leute dazu gebracht hat, ihm ihr Geld anzuvertrauen, ist mir ein

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