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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Rätsel. Sie sollten mal ein paar der Namen sehen, die auf der Liste der Investoren stehen.«
    »Sie haben recht«, sagte Monk langsam. »Ich würde auch gern wissen, wie er sie dazu überreden konnte. Das, und noch ein paar Dinge mehr.« Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Wo war der Zusammenhang? »Tauchen noch andere Namen in dem Buch auf? Partner von Marner zum Beispiel?«
    »Nur der des Sekretärs, der im Vorzimmer sitzt.«
    »Keine Partner. Seltsam – gab es keine? Wer könnte sonst noch über dieses Geschäft Bescheid gewußt haben? Wer bekam denn den größten Teil vom Kuchen, wenn nicht Grey?«
    Der Mann hickste gedämpft und seufzte dann. »Ein ziemlich nebulöser Mr. Robinson, aber ein Großteil floß in geheime Kanäle. Es gibt bisher keinen Beweis, daß dieser Robinson im Bilde war. Wir lassen ihn beschatten, haben allerdings noch nichts entdeckt, das für eine Festnahme reichen würde.«
    »Wo wohnt er?« Monk mußte herausfinden, ob er besagtem Robinson im Verlauf seiner früheren Nachforschungen bezüglich Grey bereits begegnet war. Wenn Marner ihn nicht kannte, dann vielleicht er?
    Der Mann kritzelte etwas auf ein Stück Papier und reichte es über den Tisch.
    Monk nahm den Zettel und studierte die Adresse: Sie befand sich oberhalb der Elephant Stairs in Rotherhithe, auf der andren Seite vom Fluß. Er faltete das Papier zusammen und schob es in die Tasche.
    »Ich habe nicht vor, Ihnen dazwischenfunken«, versprach er.
    »Ich will dem Kerl nur eine einzige Frage stellen, und die hängt mit Grey zusammen, nicht mit dem Betrug.«
    »Ist schon in Ordnung«, meinte der andere zwischen zwei erleichterten Seufzern. »Mord hat immer Vorrang vor Betrug, zumindest wenn es der Sohn eines Lords ist, der abgemurkst wurde.« Zur Abwechslung seufzte und hickste er gleichzeitig.
    »Die Sache sähe natürlich vollkommen anders aus, wenn’s bloß um einen Ladenbesitzer oder ein Zimmermädchen ginge. Kommt immer ganz drauf an, wer ausgeraubt oder ermordet wird, finden Sie nicht?«
    Monk gab ihm mit einer bitteren, kleinen Grimasse zu verstehen, daß er es ebenfalls als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfand, bedankte sich und ging.
    Robinson war nicht zu Hause. Monk brauchte den ganzen Nachmittag, um ihn zu finden, doch als er ihn endlich in einer kleinen Spelunke in Seven Dials aufstöberte, erfuhr er auf Anhieb – ohne daß der Mann den Mund auftun mußte –, was er wissen wollte. Robinsons Gesicht wurde hart, kaum daß Monk zur Tür hereingekommen war, während sich gleichzeitig ein wachsamer Ausdruck in seine Augen schlich.
    »Tag, Mr. Monk. Hätte nicht gedacht, Sie jemals wiederzusehen. Was gibt’s denn diesmal?«
    Monk bebte innerlich vor Aufregung. Er schluckte mühsam.
    »Immer noch dasselbe –«
    Robinsons leise Stimme, die zischende Aussprache – all das besaß eine Vertrautheit, die ihn elektrisierte. Der Schweiß auf seiner Haut begann zu prickeln. Sein Gedächtnis kehrte zurück! Er erinnerte sich – endlich. Sein Blick bohrte sich in den des Mannes, der vor ihm saß.
    Robinsons schmales, keilförmiges Gesicht blieb unbewegt.
    »Ich hab Ihnen schon alles erzählt, was ich weiß, Mr. Monk. Was spielt das noch für eine Rolle, jetzt, wo Grey tot ist?«
    »Sie haben nichts ausgelassen, nicht die geringste Kleinigkeit? Können Sie das beschwören?« Robinson schnaubte verächtlich.
    »Ja, kann ich. Und jetzt lassen Sie mich bitte in Ruh. Man kennt Sie hier. Ist nicht gut für mich, wenn die Bullen hier rumschnüffeln und blöde Fragen stellen. Die Leute denken noch, ich hätte was zu verbergen.«
    Monk hatte keine Lust, mit ihm zu streiten. Der Kollege vom Betrugsdezernat würde ihn sich noch früh genug vorknöpfen.
    »Gut«, sagte er. »Ich werde Sie nicht mehr belästigen.« Er trat wieder auf die flirrende, graue Straße hinaus, die von Bettlern und Obdachlosen überquoll. Seine Füße trugen ihn über das Pflaster, ohne daß er den Boden unter sich spürte. Er hatte also über Grey Bescheid gewußt, ehe er zu ihm gegangen war – ehe er ihn getötet hatte.
    Aber weshalb hatte sich sein Haß ausgerechnet gegen Grey gerichtet? Marner war der Drahtzieher, der Kopf, der den Schwindel ausgebrütet hatte, der eigentliche Nutznießer. Gegen ihn hatte er anscheinend nichts unternommen.
    Er mußte nachdenken, Ordnung in das Chaos in seinem Kopf bringen und sich überlegen, wo er sich nach dem letzten fehlenden Puzzleteil umsehen sollte.
    Es war heiß und stickig, die Luft durch die Feuchtigkeit, die

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