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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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handelte es sich?«
    »Das weiß ich nicht!« stieß Yeats mit unnatürlich hoher Stimme hervor; es klang fast wie ein Quieken. »Ich weiß nicht, wer das war! Ich hab’s Mr. Lamb doch schon gesagt! Der Mann hatte sich in der Tür geirrt – er wollte gar nicht zu mir!«
    Monk hob unwillkürlich eine Hand, um ihn zu besänftigen, wie man es bei einem überdrehten Kind tat oder einem Tier.
    »Sie haben ihn aber gesehen, Mr. Yeats«, fuhr er bewußt leise fort. »Bestimmt erinnern Sie sich an irgend etwas – an seine Stimme zum Beispiel? Sicher hat der Mann wenigstens ein paar Worte zu Ihnen gesagt?« Ob Yeats nun log oder nicht – wenn Monk seine Aussage offen anzweifelte, würde er garantiert nichts erreichen; der Mann würde sich nur noch tiefer hinter seinem Nichtwissen verschanzen.
    Yeats zwinkerte nervös mit den Augen.
    »Ich – wirklich, ich – ich… tut mir leid, Mr. –, Mr. –«
    »Monk. Verzeihen Sie«, sagte Monk rasch, der weder sich noch Monk vorgestellt hatte. »Und das hier ist Mr. Evan. War der Mann groß oder klein?«
    »Oh, groß. Sehr groß!« kam es wie aus der Pistole geschossen. »So groß wie Sie, und er sah ziemlich kräftig aus, obwohl er einen dicken Mantel anhatte, denn draußen war es an dem Abend ganz scheußlich. Hat fürchterlich geregnet.«
    »Richtig, ich erinnere mich. War er größer als ich?« Monk stand auf, damit er sich ein besseres Bild machen konnte.
    Yeats spähte an ihm hoch. »Nein, ich glaube nicht. Ungefähr genauso, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht. Das ist alles so lange her.« Er schüttelte unglücklich den Kopf.
    Monk setzte sich wieder. Evan machte sich im Hintergrund unauffällig Notizen.
    »Er war nicht länger als ein, zwei Sekunden hier!« protestierte Yeats. Er hielt nach wie vor den Toast in der Hand, der sich allmählich in seine Bestandteile auflöste und seine Hose vollkrümelte. »Er hat geklingelt, mir eine Frage bezüglich meiner Tätigkeit gestellt, daraufhin gemerkt, daß ich nicht die Person bin, die er suchte, und ist wieder gegangen. Mehr war wirklich nicht!« Er wischte ohne großen Erfolg über seine Hosenbeine. »Glauben Sie mir, wenn ich könnte, würde ich Ihnen sofort helfen! Armer Major Grey – so ein furchtbarer Tod.« Er schauderte. »Und so ein reizender Mann! Das Leben kann einem schon übel mitspielen, finden Sie nicht?«
    In Monk regte sich Hoffnung.
    »Sie kannten Major Grey?« Er ließ die Frage so beiläufig wie möglich klingen.
    »Nein, nicht besonders gut, wo denken Sie hin!« verwahrte sich Yeats entschieden, um von vornherein jeglichen Gedanken an Standesdünkel oder persönliches Betroffensein auszuschalten. »Wir haben uns gegrüßt, sonst nichts. Aber er war stets ausgesucht höflich, fand immer ein freundliches Wort – ganz anders als diese jungen Burschen von Stand. Und er hat niemals so getan, als hätte er den Namen vergessen.«
    »Worin besteht eigentlich Ihre Tätigkeit, Mr. Yeats? Ich glaube, das haben Sie noch nicht erwähnt.«
    »Nicht? Ja, kann sein.« Die Toastscheibe in seiner Hand bestand nur mehr aus einzelnen, größeren Brocken, wofür er jedoch vollkommen blind war. »Ich handle mit seltenen Briefmarken und Münzen.«
    »Und Ihr Besucher handelte ebenfalls damit?« Yeats schaute Monk verblüfft an.
    »Das hat er nicht gesagt, aber ich kann es mir im Grunde nicht vorstellen. Diese Berufssparte ist sehr klein, müssen Sie wissen; man lernt früher oder später alle Kollegen kennen.«
    »Er war folglich Engländer?«
    »Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz –«
    »Er war kein Ausländer, den Sie auch dann nicht hätten kennen können, selbst wenn er im selben Bereich tätig gewesen wäre?«
    »Äh, jetzt begreife ich, was Sie meinen.« Yeats Stirn glättete sich wieder. »Richtig, er war Engländer.«
    »Und zu wem wollte er, wenn nicht zu Ihnen, Mr. Yeats?«
    »Iich habe keine Ahnung.« Seine Hand fuhr verzweifelt durch die Luft. »Er wollte wissen, ob ich Kartensammler bin. Als ich das verneinte, sagte er, dann wäre er wohl falsch informiert, und ging sofort wieder.«
    »Das glaube ich nicht, Mr. Yeats. Ich glaube, er ging geradewegs zu Major Grey und schlug ihn im Verlauf der nächsten Dreiviertelstunde tot.«
    »Großer Gott!« Yeats’ Knochen gaben unter seinem Gewicht nach, so daß er nach hinten rutschte und halb in seinem Sessel versank. Hinter Monks Rücken rührte sich Evan, als wolle er ihm zu Hilfe eilen, besann sich dann eines Besseren und setzte sich wieder hin.
    »Das

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