Das Gesicht des Teufels
Lippen glichen trockenem Leder. Ihre Augen lagen wie erloschen in ihren Höhlen, und ihr rotblondes Haar war stumpf wie die Strähnen feuchten Hanfs.
«Du?»
Hannas tonlose, wie gebrochene Stimme zerschnitt sein Herz. Ulrich suchte nach Worten, doch mehr als ihren Namen stammeln konnte er nicht. Immer fester drückte er Hanna an sich. Sein seelischer Schmerz war so groß, dass sein Atem aussetzte und sich sein Leib verkrampfte, als ereile ihn die Fallsucht.
Betreten schauten die Aufständischen zur Seite und machten Katharina von Detwang Platz, die mit einem Aufschrei Ulrich und Hanna umarmte.
Und da geschah es: Ein unirdisch klagender Laut entrang sich dem Knäuel der drei Leiber. Hanna bäumte sich auf und stieß Ulrich und seine Mutter zurück. Ihr Kopf fuhr hoch, und ihr Blick heftete sich auf die Bundschuh-Fahne: «Trommeln schlagen und Kanonen grollen … Und sie wird brennen … ja, sie verbrennen die Fahne mit dem Schuh und die mit dem Regenbogen! Sie verbrennen alle eure Fahnen! Verbum domini maneat in aeternum, schreien die einen, die anderen aber, die Landsknechte, die mit ihren Lanzen alles niederstechen, verhöhnen sie und stechen zu. Immer wieder stechen sie zu … immer wieder und so lange, bis sie in eurem Blut ausrutschen.»
Sie zog ihre Hände aus dem Wasser und schlug sie sich vors Gesicht. Dann kippte sie auf die Seite und fiel in eine tiefe Ohnmacht.
27
Drei Tage … sie geben mir drei Tage.
Mit diesem Gedanken wachte Hanna auf, sobald die opiumhaltige Theriaklösung ihre Kraft verlor, und gleich darauf, wenn Ulrich sie ihr wieder frisch eingeflößt hatte, schlief sie ebenso mit ihm ein. Doch von Stunde zu Stunde mehr verwischte sich bei ihr das Empfinden von Zeit und Raum, und die Furcht, von Büttelhänden gepackt und auf einen Karren geworfen zu werden, verkroch sich angesichts ihrer heftigen Schmerzen. Immer wieder verlor sie sich an schon erlebte Gesichte, aber sie fand auch in Erlebnisse ihrer Kindheit zurück. Selbst die trunkene Lust,die sie mit Ulrich vor dem Kamin genossen hatte, gaukelte einmal durch ihren Kopf: Ein kurzer Augenblick nur, aber Ulrich, der Tag und Nacht an ihrem Bett wachte, verpasste ihn nicht. Glücklich küsste er sie auf den Mund und ließ sich auf die Knie nieder, um ihr ins Ohr zu flüstern, wie sehr er sie liebe.
Am zweiten Tag nach der Feuerprobe wusste er, Hanna würde genesen.
Am liebsten hätte er seine Zuversicht mit ihr geteilt und sie geweckt, seine Mutter aber hielt ihn davon ab, denn sie misstraute dem Wunder, das sich da anbahnte, und fürchtete um das Gut. Ulrich indes küsste Hanna jede halbe Stunde auf den Mund und dankte Gott, dass er die Menschheit in Wissende und Unwissende teilte. Denn an den Rändern der halbmondförmigen Brandmale nässten zwar daumennagelgroße Blasen, doch die Male selbst waren nicht erdfarben oder schwarz, sondern weiß. Konnte es ein vollkommeneres Zeichen für Hannas Unschuld geben?
Paul Ickelsheimer und seine Getreuen waren davon kaum weniger beeindruckt als seine Mutter. Allein er aber wusste, dass dieses Wunder eines war, wie es natürlicher nicht sein konnte.
Und zum Glück war genau dies dem Landvolk unbekannt.
«Ihnen fehlt es einfach an Wissen und Erfahrung», raunte er schließlich seiner Mutter zu, als diese bei Einbruch der Abenddämmerung mit einem Teller Suppe in die Krankenstube trat.
«Ich verstehe kein Wort.»
Katharina von Detwang zog sich einen Stuhl heran, Ulrich lauschte einen Augenblick mit erhobenem Zeigefinger. Aber sie waren allein. Auch auf dem Flur war weder Stiefelscharren noch Hüsteln zu hören.
«Ich durfte doch in die Stadt», begann er zu erzählen und nahm seiner Mutter die Suppenschale aus der Hand. «Da bin ich zuerst zum Stadtphysicus, dann zum Wundarzt. Der eine riet mir zu einer Dungpaste mit Käseschimmel und Honig, der andere zu einer Salbe aus gekochtem Schweineschmalz, Ei und Wacholder. Beide kramten noch andere Wundertinkturen aus ihrem Gedächtnis, was mich aber nur zum Lachen brachte. Dann solle ich eben zum Henker gehen, sagte der Wundarzt schließlich, was ich tatsächlich tat.»
«Das ist nicht dein Ernst.»
Entsetzt schlug sich Katharina von Detwang die Hände vors Gesicht.
Ulrich schwieg und löffelte seine Suppe, ohne Hanna dabei aus den Augen zu lassen. Sie lag auf dem Rücken, ihre Hände ruhten locker verbunden auf ihrer Brust. Ihr Atem zeigte an, dass sie tief und trotz des Fiebers auch ruhig schlief, doch auf ihrem Gesicht lagen immer
Weitere Kostenlose Bücher