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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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den Antworten anfangen sollen? Eine Frage musste sie aber noch loswerden: Wann kam Ulrich zurück?
    Sie wusste nicht mehr, ob sie wirklich gefragt hatte. Hatte Agathe ihre Frage beantwortet? Oder schwieg sie?Hanna spürte die Augen Agathes auf sich ruhen, ein forschender und doch auch unerforschlicher Blick.
    Würde sie mich mögen, wenn ich mehr wäre als eine einfache Köhlerin? Hanna versuchte, eine Antwort zu finden, aber sie war viel zu müde, um darüber nachzudenken.
    Es war schön, in diesem Bett zu liegen. Sie schlief so gut darin. Hanna vermeinte plötzlich, leicht wie ein Schmetterling zu sein. Sie nahm sich vor, von Blume zu Blume zu fliegen, und es war ganz einfach. Sie brauchte einfach nur die Arme auszubreiten. Für einen Moment wusste sie, dass sie Ulrich genauso im Duft der Blüten wie im Gesang der Vögel und im Murmeln des Karrachbachs begegnen würde. Sie kam ihm näher und näher, bis er Gestalt annahm und sich zu ihr umdrehte.
    Sie küssten und liebten sich, und die Lust, die sie empfand, war grenzenlos. Doch plötzlich fühlte sie, dass jemand im Raum war und die Flammen im Kamin keine Wärme mehr spendeten. Sie riss die Augen auf, und statt Ulrich lag Frederike von Neustett unter ihr. Der Schreck war so gewaltig, dass sie zu schreien begann, während Frederikes schadenfrohes Grinsen immer breiter wurde und es ihr schließlich gelang, sie mit einem einzigen Biss zu verschlingen.

29
    Die erste Aprilwoche war vorüber. Das Licht wurde zunehmend heller, die Luft lauer, die Erde würziger. Die Uferwiesen standen in frischem Saft, das Ufergestrüpp der Tauber grünte, und in den Gärten zierten erste Kürbispflänzchen die Komposthaufen. Etwas aber war andersals in den Jahren zuvor. Auch wenn die Schweine sich wie eh und je grunzend im Pfuhl suhlten und die Kühe auf den Weiden brüllten: In den Gehöften und Dörfern entlang der Tauber war es auffallend still. Zuweilen wirkten sie wie ausgestorben. Oft wurde Bernward nur von Frauen und Kindern gegrüßt, die Männer dagegen schienen von einer geheimnisvollen Krankheit dahingerafft.
    Unwillig brummend ritt Bernward an schlecht gepflügten und ungeeggten Äckern vorbei, auf denen statt Bauern und Knechten nur Raben und Krähen staksten. In den Scheuern pfiffen Schwalben und heulten Hunde, in Hütten und Häusern plärrten Kinder. Nur gelegentlich schirrte ein Bauer Pferd oder Ochse an, und Bernward zählte fast nur Greise, die sägten, hämmerten oder Holz hackten.
    Von Stunde zu Stunde wurde er wütender: Was denken sich die Bauern bloß? Glauben sie etwa, sie können die ganze Feldarbeit nachholen? Als ob der Lauf der Natur sich anhalten lässt! Wenn sie nicht bald vernünftig werden und die Saat einbringen, feiern nächsten Herbst und Winter die Hungerteufel fröhliche Urständ – dann aber so heftig, dass selbst der Sensenmann irgendwann müde wird. Ich höre sie bereits winseln und sich Korn à la Aufreiter wünschen, selbst wenn sie danach kotzen und ihre Strohpfühle vollscheißen.
    Aber vielleicht bin ich ja nur blind: In Wahrheit sind ihre Speicher und Keller fett wie eine Martinigans. Sackweise haben sie es, Mehl, Linsen, Gerste, Erbsen. Ihre Erdgruben sind voll von Kraut und Rüben und die Kamine so gestopft mit Würsten und Schinken, dass der Rauch nicht mehr abzieht. Natürlich stolpern sie auch ständig über volle Weinfässer, und wenn sie mal an den Fluss und die Teiche gehen, springen ihnen Äschen und Forellen von selbst ins Netz.
    Bernward spuckte aus. Was ärgere ich mich, dachte er.Das Leben ist zu kurz dafür. Er lauschte in sich hinein, doch so schnell, wie er es sich wünschte, ebbte seine Wut nicht ab. Dabei war das Ärgste ausgestanden und er wieder unterwegs. Und eigentlich   … war er die letzten Tage nicht hübsch auf seine Kosten gekommen?
    Sie hat ganz schön Feuer, versteht etwas davon. Wir haben uns beide nicht geschont.
    Bernward schnalzte mit der Zunge, doch wenig später verblassten die aufreizenden Erinnerungen wieder. Ihm war eingefallen, dass er noch ein paar Pappelkätzchen sammeln wollte. Er hatte festgestellt, dass er besser Wasser lassen konnte, wenn er sich hin und wieder einen Tee daraus kochte. Aber erst einmal gönnte er sich hier im Taubergrund eine Rast. Er stieg vom Pferd und setzte sich auf einen Grashügel, der sich inmitten einer Wiesenbucht voller Löwenzahn, Veilchen und Buschwindröschen erhob. Würziger Duft von Holundergrün und Weiden umgab ihn, es roch nach Wasser, und einmal wehte ihm

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