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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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bestialisch stinkt, ist nicht zu ertragen. Wie mag es hier oben bloß riechen, wenn es richtig Sommer ist?
    Sie setzte sich auf, kniff ein Auge zu und spähte nach draußen. Von ihrem Platz aus konnte sie geradewegs auf das Kummereck schauen, den Schutt- und Latrinenabladeplatz der Stadt. Dessen Gestankwolken zogen geradewegs zu ihr, hingegen es in der Schankstube und dem Altenteil gut auszuhalten war – sagte zumindest der Schankwirt.
    Bis auf zwei Latrinenfrauen war niemand zu sehen. Hanna legte sich wieder hin. Trotz des Gestanks hatte sie Hunger.
    Beeil dich, Jan, rief sie in Gedanken den Sohn des Schankwirts. Nur ein Stück Brot und einen Becher Tee. Nachher dann darfst du dir etwas dazuverdienen.
    Nach einer Weile hörte sie Schritte, kurz darauf das viermalige Klopfen.
    Sie schob den Riegel zur Seite.
    Jan war dreizehn, blauäugig, rotblond und hatte einen Buckel.
    «Guten Morgen. Ging’s denn?»
    «Die Schwalben machen Lärm, die Ratten sind immerzu neugierig. Aber sie sind klug. Ich habe mit ihnen einen Handel abgeschlossen: Ihr bekommt von jedem Bissen etwas ab, dafür beißt ihr mich nicht. Sie haben es sofort begriffen. Und eigentlich sind sie niedlich. Wäre der lange Schwanz nicht, wir würden uns vor ihnen viel weniger so ekeln.»
    «Sie riechen, dass du verfolgt wirst. So wie sie. Darum lassen sie dich in Ruh.»
    Jan stellte den Krug Kräutertee auf den Boden und reichte ihr einen Viertel Laib Brot, in dem ein Spieß mit einem Wurstzipfel steckte.
    Hanna brach ein Stück Brot ab und säbelte mit JansMesser auch eine Scheibe Wurst ab. Beides warf sie in die dunkelste Ecke der Abseite.
    «Pscht.» Sie legte den Finger auf den Mund. Nach kurzer Zeit waren Trippelgeräusche zu hören, dann war es wieder still. «Das ist mein Abschiedsgeschenk an sie», fuhr sie leise fort. «Sie sollen mich in guter Erinnerung behalten.»
    «Werde ich dich auch.»
    Jan grinste schief, Hanna kniff ihm in die Wange. Sie nestelte in ihrem Schürzensack nach ihrem Geldsäckelchen, suchte eine Münze und drückte sie Jan in die Hand.
    «Dieser Kreuzer ist für dich, wenn du nach Detwang läufst. Dort sagst du, du hättest eine wichtige Botschaft für den edlen Herrn. Aber nur für ihn, verstehst du?»
    Jan nickte. «Und welche Botschaft?»
    «Dass ich hier bin, mehr nicht. Damit er dir wirklich glaubt, sagst du: Ich hätte gesagt, Mahut sei ein Hasenfuß.»

49
    Kichernd schmiegten sie sich in der Kemenate des Detwanger Burgturms aneinander, dann küssten sie sich. Im Kamin prasselte ein kräftiges Feuer, der warme Badezuber verbreitete betörenden Rosen- und Lavendelblütenduft.
    «Kleines Liebeshexchen   …»
    «Zauberritter   …»
    «Nimmersatt.»
    «Das sagt der Richtige   …»
    Hanna räkelte sich, streckte die Arme nach hinten. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich Hals und Brüste küssen,und schon wieder wünschte sie sich mehr. Gleichzeitig blitzten immer auch andere Bilder auf. Sie sah sich wieder als invalide Nonne verkleidet im offenen Zweispänner sitzen, den Arm in einer Schlinge, um den Kopf einen blutfleckigen Verband. Allein diese List hätte genügt, Ulrich aber hatte noch seine Mutter und seine Schwester mit im Wagen, die beide lautstark die Stadtwachen am Klingentor beschimpft hatten, weil sie nichts gegen die Plünderungen der Klöster unternommen hätten.
    Sie waren einfach weitergefahren, hinterher hatte sogar Agathe lauthals gelacht.
    Aber es war noch nicht ausgestanden.
    Sie stöhnte auf, die düsteren Gedanken verflogen. Ulrichs warmer Atem strich kühl über die Innenseite ihrer Schenkel. Er hatte sie mit einem feuchten Kussreigen bedeckt, jetzt wanderten seine Lippen langsam nach oben. Sie verging fast vor Lust, und auch Ulrich schien es zu genießen, so lange, bis sie von seligster Erschöpfung überwältigt wurde.
     
    Dass die Welt unerbittlich nach ihnen griff, bewies der frühe Abend. Einer der Deutschherren suchte Ulrich auf und brachte ihm das Ersuchen des Rates: Er möge bitte bei der Ratsversammlung am nächsten Morgen zugegen sein.
    «Und warum das? Der Menzingen und seine Gesellen, Ratsprediger Teuschlin, das böse ABC, der blinde Mönch, unser ehrenwerter Komtur Christian – sie machen doch eh, was sie wollen. Und da ich den Aufreiter und seine sturen bigotten Patrizier genauso verabscheue: Soll ich an seiner Seite etwa gegen den Bauernrat stimmen? Niemals! Ich mache mich mit niemandem gemein!» Ulrich donnerte die Faust auf den Tisch, dass die Gläser klirrten. Er saß vor dem

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