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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Bruder Arndt und dem leidenschaftlich kopflosen Verehrer Valentin, dem aderlassenden Spitalbader, sogar dem Herren-Müller Jobst Gessler oder dem schlagenden Brauer Hans Goltz.
    Und was war mit Paul Ickelsheimer oder Jacob Aufreiter?
    Nein, sie nicht, dachte sie und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Sie krümmte sich auf die Seite, presste die Fäuste vors Gesicht. Ja, verbesserte sie sich – wenn ich sicher wäre, dass die Fürsten und ihre Landsknechts-Heere Gnade vor Recht ergehen lassen würden.
    Aber dies war nur ein schwärmerisches Gedankenspiel. Gott hörte wieder einmal nicht hin, er schaute lieber zu.
    Ulrich setzte sich oft neben sie, hielt ihre Hand, streichelte ihr über den Kopf. Allein dafür, dass er sie in diesen Tagen nicht mit Fragen oder beflissenen Aufmunterungenbehelligte, sie gar mit Zärtlichkeiten bedrängte, dafür liebte sie ihn.
    «Ich werde ja auch wieder genesen», beruhigte sie ihn lächelnd. «Aber es muss erst alles vorbei sein.»
    «Alles? Was kommt denn noch? Weißt du etwas?» Sie verzog den Mund, wandte den Kopf ab. Sie zitterte, fürchtete einen Stimmungsumschwung. Stumm zählte sie die Schläge ihres Herzens mit, da hörte sie, wie Ulrich aufseufzte. «Was frag ich dich», flüsterte er. «Wie dumm von mir. Ich weiß es doch selbst. Da haben zum Beispiel schon vor Tagen die Verteidiger des Würzburger Schlosses die Zimmer im Erdgeschoss gegen die Angriffsseite ganz mit Erde gefüllt, daher blieb den Bauern nur der direkte Sturm gegen die Mauern. Sie wollten sie ersteigen, doch da wurden sie von oben mit einem Hagel brennender Pechkränze, mit siedendem Öl und Wasser, Steinen und Sand überschüttet. Trotzdem waren sie so mutig oder eben auch dumm und verzweifelt, noch einmal anzugreifen. Vierhundert Tote lagen da bereits im Schlossgraben. Viele Dutzende wurden beim Sturm erschossen, etliche von ihren Mitkämpfern. Völlig kopflos haben sie die eigenen Mannen getroffen, als die vor ihnen dabei waren, neue Schusslinien aufzustellen.»
    Ulrich sprach wie zu sich selbst. Er war immer leiser geworden, kaum noch zu verstehen. Hanna hatte von diesem misslungenen Sturm auf das Würzburger Schloss bereits gehört. Auch, dass die Rothenburger Geschütze vergeblich eingesetzt worden waren und die vom Rat in Marsch gesetzten Rothenburger Reisigen auf den Schlachtfeldern der Aufständischen viel zu spät eingetroffen waren.

53
    Als es Juni wurde, hatte Hanna das Gefühl, als sickere die Angst all derer zu ihr durch, die begriffen, dass die Neckartaler und Taubertaler Bauernhaufen verloren waren. Diese Ängste brachten die Farben ihrer erinnerten Visionen zu einem schaurigen Leuchten, und zuweilen wurde der Lärm in ihrem inneren Ohr so laut, dass sie die Hände gegen ihre Ohren pressen musste.
    Doch sie konnte sich nicht schützen.
    So bildete sie sich ein, aus den Spalten der Deckenbalken würde Blut auf sie herabtropfen, und das Weiß der in den schmerzverzerrten Gesichtern hervorquellenden Augäpfel erschien ihr grell wie das Weiß eines Blitzes.
    Es gab Stunden, in denen sie den Verstand zu verlieren drohte.
    Priorin Agathe, die in diesen Wochen regelmäßig das Gut besuchte, warnte ihren Bruder am Pfingstmontag nach der Messe, er liefe Gefahr, von Hannas Seelenbrand angesteckt zu werden. Doch als einer der Gärtnerburschen heiser ins Haus rief, er habe schlimme Nachrichten, schlug auch sie erschrocken das Kreuz.
     
    Ulrich eilte nach unten. Schwüle Luft empfing ihn. Die Fliegen waren bereits gierig, auf einem Häufchen zusammengefegter Obstbaumblütenblätter lag eine tote schwarze Amsel. Ihre Kehle war blutig, das Federkleid zerrissen. In einiger Entfernung lag eine Katze, die aufsprang und weglief, als Ulrich ungestüm auf den Gärtnerburschen zulief und ihn an der Schulter packte und schüttelte.
    «Von wem weißt du’s? Los, rede!»
    «Da sind gerade zwei Neusitzer aufgetaucht, Herr, mit Blut an ihren Kitteln. Wie irr haben sie gewirkt. Dereine ist Häcker, von dem anderen weiß ich es nicht. Der eine hat den Reusenmacher hier zum Verwandten und der andere den Wagner. Sie wollen sich bei ihnen verstecken.»
    «Und wo sind sie jetzt?»
    «In der Kirche, beim Pfarrer.»
    Der Gärtnerbursche war wachsbleich, seine Augen vor Schreck geweitet. Er schien kaum begreifen zu können, was er da gerade von den geflüchteten Aufständischen aufgeschnappt hatte.
    Ulrich aber zögerte, denn inzwischen waren andere Detwanger mit Frauen und Kindern aus dem Dorf zusammengelaufen. Es war,

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