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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Lippen zu setzen   … Ich hab’s getan, denn sie tunmir leid. Denn was sie auch gesündigt haben   … und alles falsch gemacht haben   … ich darf doch nicht altes Unrecht mit neuem vergelten.»
    «Da sind wir uns einig. Was haben sie erzählt?»
    Der Priester senkte den Blick und zog Ulrich beiseite. «Sie haben die wirkliche Hölle gesehen», murmelte er und trat mit ihm in die Sakristei, wo sie ungestört waren. «Pfalzgraf Ludwig hat in unserem fränkischen Ingolstadt gezeigt, wie entfesselt die Wut des Adels ist. Im Schlösschen fanden alle den Tod, die sich dort verbarrikadiert hatten. Weit über tausend Ritter und Reisige hat der Pfalzgraf aufgeboten. Sie kannten kein Erbarmen. Wer sich von den Verzweifelten in die Kirche rettete, es half nichts, denn der Pfalzgraf hat sie einfach anzünden lassen.»
    «Es gab nirgends Gegenwehr?»
    «Doch schon. Vor allem in Königshofen. Einer der beiden Neusitzer war dabei, als der Truchseß im Sailtheimer Wald verwundet wurde. Da haben die Bauern den Landsknechten gezeigt, wie tapfer sie sind. Und das wurde belohnt. Gegen Zusicherung ihres Lebens wurden sie in Königshofen in die Kirche gesperrt, nachts sind sie dann geflohen.»
    Ulrichs Herz krampfte sich zusammen. Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. Beiden stand die Sorge ins Gesicht geschrieben.
    «Die Truppen werden über unsere Hege kommen wie die Heuschrecken.»
    «Wir haben nichts zu befürchten. Dank Eurer Herrschaft über diesen Flecken, Ulrich. Gepriesen und gesegnet seid Ihr.»
    Ulrich lächelte schwach und nickte. Er erzählte, dass er beschlossen habe, notfalls Friedensrecht für diese Kirche einzufordern: «Sollte Markgraf Kasimir oder Pfalzgraf Ludwig dies verweigern, stellen sie sich bewusst gegenuns Deutschherren. Das werden sie aber kaum tun. Immerhin stehen viele unserer Ritterbrüder auf Seiten des Schwäbischen Bundes. Und denen wird es schmeicheln, dass sie einen in ihren Reihen haben, der den uralten Leitspruch von uns Deutschrittern noch mit Leben erfüllt. Damit lenken sie von ihrem Versagen ab.»
    «Helfen, Wehren, Heilen.» Der Priester lächelte bitter. «Diese Zeiten sind vorbei, Ritter Ulrich.»
    «Was geht das die Tugenden an?» Die Tür schwang auf. Ungeduldig winkte Agathe ihrem Bruder.
    «Herrgott, was tut ihr hier so lange?» Agathes schrille Stimme gellte durch die Sakristei. «Wo sie jetzt doch auch noch gekommen ist. Aber sie sieht grauenhaft aus, richtig schrecklich. Alle starren sie an.»
    «Wen denn?»
    «Ja, wen denn wohl? Deine Hanna natürlich!»
     
    Hanna hatte ihr Haar nur unordentlich zusammengesteckt. Die Strähne, die ihr von der Stirn fiel, teilte ihr Gesicht in zwei Hälften. Es war aschfahl und erinnerte Ulrich mit seinen blassroten schmalen Lippen an eine Fastnachtsmaske.
    Langsam trat sie auf die Kirche zu. Ihr Schritt war schleppend, ihr Blick dagegen fest. Wie vorher der Priester schaute sie kurz in den grauen Himmel, dann streckte sie beide Arme vor und drehte die Handflächen nach oben.
    Die Detwanger bildeten eine Gasse, niemand wagte, auch nur zu flüstern.
    «Warum lässt du mich allein?»
    «Hanna, dir geht es nicht gut. Du hättest im Bett bleiben sollen.»
    Ulrich legte ihr den Arm um die Schultern. Erschöpft lehnte Hanna sich an ihn, schloss die Augen. Sie erinnerte sich, wie sie aus dem Schlaf geschreckt war, daran, dasssie Ulrich wegen eines Albtraums gerufen hatte. Doch im Haus war es totenstill gewesen.
    Also war sie aufgestanden. Jetzt war alles wieder gut.
    «Geht an eure Arbeit, es gibt hier nichts mehr zu sehen», rief Agathe. Ihre Miene war übellaunig, ihre Nasenflügel bebten vor Empörung über Hannas Auftritt.
    Niemand bewegte sich von der Stelle.
    Sanft schob Ulrich Hanna vorwärts. Sie schaute in die Gesichter der Detwanger, versuchte zu lächeln. Die Luft war noch stickiger geworden, es roch jetzt nach Rauch, Mist und Kompost. Schwalben schossen im Tiefflug zwischen den Höfen umher, in ihre spitzen Rufe platzte Hühnergackern und wütendes Hundegebell.
    Langsam kam Bewegung in das Spalier der Detwanger – da knarrte die Tür zur Sakristei. Ein junger Mann im blutbefleckten Kittel trat heraus, blinzelte, seine Wangen waren tränennass.
    «Hanna!»
    Sie zuckte wie von einem Peitschenhieb getroffen zusammen und blieb stehen. Langsam drehte sie sich um: «Valentin.»
    Zögernd trat er näher. Sein Schafsgesicht war knochig, die Augen heftig gerötet. Leise und im Ton bitterer Anklage rief er: «Wegen dir bin ich in den Krieg

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