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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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morgen.
    «Sie kackt wieder. Guck doch, Hanna! So böse Kacke. So schönes Geschlängel!»
    Tiefes Stöhnen mischte sich mit Kettenklirren und heiserem Lachen. Hanna griff sich an den Hals und schluckte beherzt, damit ihr nicht übel wurde.
    «Jaja, Berta. Wo du schon wieder hinschauen musst. Was soll schon schön daran sein?»
    «Dass die sündige Schlange kommt. Die böse Schlange. Wir können ihr den Kopf zertreten.»
    «Das lieber nicht, Berta.»
    Seit drei Tagen ging dies nun schon so: Die alte Friedlind setzte sich, wie schon seit Monaten, auf den Latrineneimer, und Berta wurde nicht müde, sich darüber auszulassen. Friedlind war alt und verschroben, bestimmt auch ein bisschen wunderlich im Kopf, Berta aber gehörte zu den wirklich Verrückten. Sie führte unentwegt Selbstgespräche, dann wieder kicherte sie, und wenn sie einmal nicht redete, schnaufte sie, als würde sie ein Fuhrwerk ziehen. Still war sie nur, wenn sie schlief.
    Hanna zog der Gestank des Latrineneimers in die Nase. Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Wieder wurde ihr bewusst, dass sie als Köhlerin zwar in großer Armut lebte und zuweilen sogar hungerte, aber eine Köhlerin war frei und konnte mit der Natur leben. Einen Gestank wie in ihrer Zelle musste sie am Wachsenberg nicht ertragen. Da konnte Spitalkaplan Ott so viel Harz und Kräuter verräuchern lassen, wie er wollte. Die Latrinengerüche und Ausdünstungen verschwitzterUnterkleider, von Blut und Eiter, von angebranntem Kohl und Schlachtabfällen waren allgegenwärtig und schienen sogar im Mauerwerk zu stecken.
    Wie lange muss ich hier bloß noch aushalten?, fragte sie sich. Schon drei Tage sind vergangen. Weder Arndt noch der Hegemeister haben sich blicken lassen.
    Es gab Stunden, da fühlte sie sich bereits von aller Welt vergessen. Hier in der Spitalstadt mit ihren verwirrend vielen Fachwerkgebäuden konnte man leben und sterben, ohne je einen Fuß über die Spitalgasse gesetzt zu haben. Vom Bäcker über den Brauer und Metzger bis hin zum Zimmermann war hier so ziemlich jedes Handwerk vertreten. Die Spitalstadt wachte über Kranke, verletzte Pilger, Verwirrte und kümmerte sich um den reichen Pfründner genauso wie um den armen Irren. Doch lebten die einen in kleinen Wohnungen mit Mägden und Gehilfen, während die Verrücktesten in schweinekobenartige Keuchen gesteckt wurden, wo sie auf Strohschütten vor sich hin vegetierten.
    Wieder schoben sich die Bilder der beiden Wahnsinnigen vor ihr inneres Auge. Sie erinnerte sich an ihre verängstigten Gesichter und ihre hohlen Laute, als sie heute ihre Keuchen ausgekehrt hatte: Der eine schaukelte ständig vor und zurück und gab nur Heullaute von sich, der andere drehte sich mit seltsam verrenkten Gliedern unablässig im Kreis und spuckte jeden an, der ihm zu nahe kam.
    Sie war dabei gewesen, als der Spitalkaplan mit dem Bader und dessen Gehilfen in die Keuchen trat. Der Bader hatte nur den Knüppel heben müssen, schon waren die Unglückseligen still und ergaben sich in ihr Schicksal: Sie wurden zur Ader gelassen, bis ihnen die Augenlider zu flackern begannen.
    Als sie fragte, ob dies wirklich helfe, hatte SpitalkaplanOtt nur mit den Schultern gezuckt und geantwortet: «Wir kümmern uns um jede Seele. Wie es die Pflicht eines guten Christen ist. Dass es mit dir nicht auch so weit kommt, dafür werde ich schon sorgen. Denn deine bösen Gesichte sprechen für sich. Wenn es stimmt, was mir der Herren-Müller geschildert hat, glaube ich, dass der Teufel dich versucht. Du scheinst einen sündigen Lebenswandel zu führen   …»
    «Das ist eine Verleumdung. Ich bin Köhlerin. Wisst Ihr, was das heißt?»
    «Eine junge hübsche Frau wie du will tagaus, tagein nur bei den Meilern stehen? Was treibst du, wenn du nicht arbeitest?»
    «Was wollt Ihr damit sagen?» Der frömmelnde Spitalkaplan hatte bloß die Augen verdreht. In seiner braunen Kutte, dem rauschigen Bart und der Tonsur gefiel er sich in der Rolle des Eremiten, ihr aber war nicht entgangen, wie oft seine Blicke über ihre Hüften und ihre Brust gehuscht waren.
    «Spitalkaplan Ott, bitte, was meint Ihr?», hatte sie ihre Frage wiederholt.
    «Du hast den Antrag des Herren-Müllers abgelehnt. Warum? Bist du   … dir selbst genug? Womöglich mit schamlosen Phantasien? Hinter denen sich der Leibhaftige versteckt? Darum habe ich befohlen, dich gleich zur Ader zu lassen, Hanna Völz. Damit dein böses Blut abfließt und dir der Scheiterhaufen erspart bleibt. Aber

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