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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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eingeschüchtert wurde. Mal erwischten sie mit ihren Forken einen Zipfel ihres Kleides, mal schwenkten sie die Zinken spielerisch hin und her, ohne Marie zu treffen. Ihr Johlen war ohrenbetäubend. Und als ein Bauer auf die Idee verfiel, seinen Flegel gefährlich dicht über Maries Kopf kreisen zu lassen, hielten sich Hanna und Marie die Ohren zu, so groß war der Lärm.
    Als hätte es diese Geste bedurft, stießen nun die Wildesten noch heftiger zu. Babur jaulte auf, Hanna stürzte auf die Knie.
    «Los, stecht uns doch gleich mit ab!», schrie sie. «Das ist so heldenmütig! So tapfer   … so blutig!» Ihre Stimme brach, ihre Augen weiteten sich und begannen zu leuchten. Plötzlich schien es, als starrte sie durch alles und jeden hindurch. Entsetzt wichen die Menschen vor ihr zurück. Forken und Dreschflegel verschwanden aus Maries und Baburs Gesichtsfeld. Wütend schnellte nun Hannas Arm vor. «Du   … und du   … und du dahinten», rief sie erregt und wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die einzelnen Männer. «In euren Gesichtern steht der Hass. Fackeln schwenkt ihr, und einer sticht mit der Lanze ins Herz des Gekreuzigten!» Wie ein Spieß zuckte ihr Finger immer wieder vor. «Ihr haltet weder die heiligen Ostern, noch habt ihr Respekt vor dem Gotteshaus von Kobolzell. Was ihr nicht blind vor Wut zerschlagt, das plündert ihr und werft es in den Fluss. Und dein Krächzen, Jobst Gessler, ist heiserer als das einer Krähe.»
    Darauf zuckte sie, wie von einem unsichtbaren Peitschenhieb getroffen, zusammen. Ihr Gesicht war grauvor Entsetzen, binnen weniger Augenblicke schien sie um Jahre gealtert. Aufschluchzend schlug sie die Hände vors Gesicht, während ein Beben ihren Körper erfasste. Zitternd schlang sie ihre Arme um sich und sank langsam vornüber. Den Kopf im Staub, das Haar aufgelöst, blieb sie liegen.
    Babur fiepte, und Marie kauerte leichenblass mit geöffnetem Mund neben ihm.
    Bestürzung malte sich in die Gesichter, etliche Mienen waren wie eingefroren. Wie festgeklebt hingen die Blicke auf der im Dreck kauernden Frau. Für einen Augenblick gar schien es, als hätten die Menschen Angst, Hanna könnte sich aufrichten und plötzlich ebenso grauenhaft aussehen wie ihre Vision.
    Doch dann kam Bewegung in die Menge. Ein Raunen machte die Runde, und plötzlich gellte das eine Wort auf, das Hanna mehr als alles andere fürchtete: «Hexe!»
    Jobst Gessler hatte sich als Erster wieder gefangen. «Du Hexe! Das sind Teufelsgesichte! Verdammt seist du!»
    In das hitzige Raunen der Menge mischten sich Hufschlag und der Klang eines Signalhorns.
    «Sie lügt!»
    «Sie ist wahnsinnig!»
    «Sie muss vor den Rat!»
    «Ach was, sie will nur ablenken, dieses Luder!»
    Wild wogten die Stimmen durcheinander. Nicht wenige Männer bückten sich nach Steinen. Schon traf Hanna der erste ins Kreuz. Sie schrie auf, wandte ihren Kopf. Da flog auch schon der zweite, streifte ihre Schläfe. Babur und Marie krochen auf sie zu. In diesem Moment brach Hegemeister Bernward Burmeister durch die Menge.
    «Aufhören!», brüllte er. «Was geht hier vor?»
    «Sie ist eine Hexe, Hegemeister, gehört ins Feuer», schimpfte Jobst Gessler. «Ja, sie spricht in Zungen!»
    Bernward lenkte sein Pferd dicht vor Hanna. Diese hob ihren Kopf und hauchte: «Nein, ich bin keine Hexe. Glaubt mir, bitte. Aber ich sah Bilder, entsetzliche Bilder   … Sie waren so deutlich.» Flehentlich schaute sie ihn mit ihrem schweißnassen, verschmutzten Gesicht an.
    «Das soll ich dir glauben? Oder hast du den Verstand verloren?» Bernward klang weit weniger scharf, als er wollte. Irgendetwas hielt ihn zurück, Hanna stärker zuzusetzen. Eine flüchtige Erinnerung blitzte auf, aber schon war sein Blick weitergeglitten und heftete sich auf Marie. «Und du? Was hast du hier verloren?»
    «Sie ist doch meine Schwester, Hegemeister.»
    Bernward nickte. Er hatte Marie erkannt und sah ihr an, dass auch sie wusste, wen sie vor sich hatte.
    Sie haben nichts damit zu tun.
    Der Satz klang so deutlich in seinen Ohren, als habe ihn jemand gerade ausgesprochen.
    «Dann seid ihr also die Köhlerkinder vom Wachsenberg.»
    «Ja, Hanna und Marie. Aber für das Feuer können wir nichts, Hegemeister. Das war das Beben.»
    Hanna klang besorgt. Die Angst, Bernward könnte sie hier vor aller Augen für das Feuer verantwortlich machen, stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    Zu ihrer großen Erleichterung nickte Bernward.
    «Was gebt Ihr Euch mit der ab, Hegemeister?», fauchte

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