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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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sich und begann eine Litanei zu murmeln: «Heilige Maria, bitte für uns, heiliger Joseph, heilige Engel, bittet für uns.» Arndt füllte den Feuerschacht mit Reisig und dünnen trockenen Holzstückchen. «Heiliger Stephanus, heiliger Laurentius, heiliger Petrus und heiliger Paulus, bittet für uns.» Immer neue Namen murmelnd, ging er in die Hütte und schippte Glut aus der Herdstelle. Mit voller Schaufel kehrte er zum Meiler zurück und ließ die glimmende Kohle in den Feuerschacht rieseln. «Jesus, sei uns gnädig, Herr, befreie uns von allem Bösen und aller Sünde.» Arndt wartete, bis sich eine genügend große Rauchwolke über dem Schacht bauschte und erste Flämmchen emporzüngelten. «Erfülle uns mit Liebe undBarmherzigkeit, gib den Toten das ewige Leben und erhöre meine Gebete, o Herr. Amen.»
    Er deckte den Feuerschacht mit der Schaufel ab, um die Flammen zu ersticken, dann wartete er. Wenn ein Meiler sich aufwärmt, dachte er, ist das so ähnlich wie das gute Gefühl, dass alles weitergeht. Nach und nach verschloss er den Feuerschacht mit Grassoden, roch am weißen Rauch, nickte. Alles würde jetzt ablaufen wie gewohnt: Das Holz verschwelte von oben nach unten und von innen nach außen, morgen würde er den zweiten Meiler aufbauen.
    Befreit seufzte Arndt auf. Er fühlte sich leicht wie lange nicht mehr. Er stapfte zurück in die Hütte und tunkte einen Becher in den Kessel, der über der Herdstelle hing. Vorsichtig schlürfte er etwas von der dampfenden Brennnesselsuppe, lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. So wässrig mein Gebräu auch ist, dachte er, es duftet nach einer Schwarte Rauchschinken, und Salz hat es auch. Aber Hanna kocht natürlich besser. Das können sie einfach, die Frauen. Zeit wird’s, dass ich jetzt was für den Herd bekomme.
    Und fürs Lager. Denn ausschwitzen geht wirklich nicht.
    Ob sie ihn schon rangelassen hat? Als ob sie’s nicht auch braucht. So ist eben die Natur. Gott hat schon gewusst, warum er sie so gemacht hat.
    Arndt grinste. Dass Hanna und Marie noch nicht zurückgekehrt sind, kann nur Gutes bedeuten. Vor drei Tagen hat Marie erzählt, Hanna sei mit dem Müller mitgegangen, begann er zu überlegen. Vorgestern hat sie sich in der Früh mit Babur aus dem Staub gemacht. Zwar hätten sie da alle drei eigentlich spätestens gestern Abend wieder hier sein können, aber schließlich ist heute Allerheiligen. Bestimmt haben sie mit dem Müller die Messein St.   Jacob besucht, also kommen sie morgen, an Allerseelen.
    Er schlürfte den Becher aus und stellte ihn neben sich. Jetzt würde er ein wenig vor sich hindämmern, bevor er später den Meiler das erste Mal lüftete. Arndt stellte sich das neue Holz vor, das vermutlich morgen oder übermorgen geliefert werden würde, und malte sich aus, dass der gute Ulrich sein Geldsäckchen aufzog und ihm ein paar Münzen für Marie in die Hand drückte. Er sah im Geiste eine frisch geweißte Köhlerhütte vor sich: Mit einem richtigen Tisch und vier Stühlen, an einer Wand gab es sogar ein Regal voller Geschirr. Wir werden holzumrahmte Schlafstellen haben, dachte er, und jeder eine Truhe. Wenn das Geld dann aus ist, gehe ich zu Ritter Ulrich und sage: Edler Herr, Marie hat Hunger, weil sie so viel lernt.
     
    Zur selben Zeit lag Hanna in einer muffigen Zelle mit feuchtkalten Wänden auf einer Pritsche. Sie hörte die Schritte des Schließers auf dem Gang und vernahm, wie in der Nachbarzelle rumpelnd der Türriegel vorgeschoben wurde.
    Satt bin ich, dachte sie. Ja, die Suppe war wieder ordentlich. Eine gut gesalzene Kohlsuppe mit Graupen, würzigem Rauchfleisch und Fettaugen, die über den Löffel flossen. Trotzdem, lieber Gott: Bitte vergiss mich nicht. Ich möchte hier raus. Lieber einmal einen knurrenden Bauch haben, als noch länger mit einem Fuß an der Kette zu hängen und Berta und Friedlind ertragen zu müssen.
    Während der Nacht wurden sie an einem Fuß angekettet, damit sie nicht aufeinander losgingen. Die Ketten waren gerade so lang, dass sie sich auf ihre Pritschen legen konnten, aber da Hanna kein Tuch hatte, das sie um ihre Fesseln wickeln konnte, hatte sie bereits wunde Knöchel.
    Wenn es sich entzündet, kann ich davon den Brandkriegen, dachte sie. Vielleicht sollte ich mir doch ein Stück von meinem Untergewand abreißen.
    Sie schlug ihr Kleid hoch und zerrte an ihrem Untergewand. Der Stoff war fest, Hanna zögerte und fingerte an der Kette. Noch war die Haut nur rot.
    Morgen, dachte sie. Ich warte bis

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