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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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über den Rücken. Matthias trank gierig, während sein Hund die Umstehenden anbellte oder seinem Herrchen winselnd die Schnauze in die Seite stieß. Matthias stützte sich auf seinen Freund und drehte sich mit ihm zum Planwagen. Der Bursche, der das Korn verteilte, stieß das Scheffelmaß noch einmal in den Sack und betrachtete das Korn.
    «Nein, es ist nur Roggen und Gerste», rief er. «Überzeugt euch doch selbst.»
    Die Ersten hielten ihm schon wieder Säcke entgegen, da schüttelte Matthias Anger seinen Freund ab und schrie: «Versteht doch! Ich habe es eine Woche lang gegessen. Schon zwei Tage später begann es. Seit einer Woche haben wir in der Stadt auch die Scheißerei! Und überall wird doch gekotzt! Himmel, es muss dieses Teufelskorn sein. Seit es der Aufreiter verteilt! Aber ihn trifft es nicht, weil er es ja auch nicht frisst.»
    Marie schlug das Herz bis zum Hals. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht laut herauszuplatzen, was sie gesehen hatte. Aber das Entsetzen auf den Mienen war beredt genug. Es stimmt, hörte Marie das Getuschel zweier Frauen: Seit einer Woche lässt er jedes Mal an einem anderen Platz Getreide verteilen   … ja, genau, mischte sich eine andere Stimme ein: Ich kenne wen, da wird seit einer Woche nur noch gekotzt.
    «Rührt es nicht an!» Die Donnerstimme des blinden Mönchs hallte über den Platz. «Er hat recht, dieses Korn ist des Teufels! Da seht ihr, was es heißt, Geschenke der Herren anzunehmen.» Der blinde Hans riss dem Burschen das Scheffelmaß aus der Hand und schleuderte es über den Platz. Dann griff er einen noch halb vollen Sack und schüttete das Korn auf das Straßenpflaster. «Getäuscht hast du mich, Jacob Aufreiter!», hörte Marie seine wütende Stimme. «Schlechtes Korn verschenkst du. Kaufen wolltest du mich, mir zeigen, dass die Herren gut sind und aufs Wohl der anderen schauen. Ich wollte es so gerne glauben. Aber die Stimmen der Heiligen in mir haben mich gewarnt vor dir.»
    «Aber was hat er denn davon?», hielt ein Mann dagegen. «Warum sollte er uns alle vergiften wollen? Das ist doch Unsinn!»
    Die Menschen leerten ihre Säcke aus und steckten die Köpfe zusammen. Marie zitterte vor Anspannung und biss sich, um ruhig zu werden, in die Faust. Sollte sie sagen, was sie wusste? Dass der Aufreiter das Korn heimlich beim Herren-Müller geholt hatte?
    Nein, das ist viel zu gefährlich. Ich werde es Ulrich erzählen, und Hanna muss ich natürlich auch warnen.
    Endlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Marie rannte los, so schnell sie konnte. Matthias’ schwarzer Hund hetzte ihr nach, kehrte aber schließlich um.
    Nein, du bist nicht Babur, dachte sie. Und wenn du noch so lieb bist, du bist nicht Babur.
    Sie rannte immer geradeaus, bevor sie auf dem Marktplatz verschnaufte. Ulrich muss Hanna jetzt schützen, durchzuckte sie ein Gedanke, obwohl sie nicht genau hätte sagen können, warum. Aber irgendwie war Hanna in Gefahr, irgendetwas braute sich da zusammen. Erst ärgerte Marie sich, dass sie dies nur spürte und nicht in Worte fassen konnte, dann wurmte es sie, dass sie immer langsamer wurde. Die eisige Luft schmerzte im Hals, zudem bekam sie Seitenstechen. Schließlich konnte sie nicht mehr und blieb stehen. Sie stemmte die Hände in die Hüften, drückte das Kinn auf die Brust und verschnaufte.
    Und jetzt tat ihr auch noch der Bauch weh.
    Langsam ging sie weiter, um wieder zu Kräften zu kommen. Sie überließ sich ihren Beinen, schaltete den Kopf ab. Als sie am Schrannenplatz angelangt war, dem eigentlichen Getreidemarkt, wurde sie unschlüssig, ob sie wirklich gleich zu Ulrich gehen sollte.
    Nein, Hanna muss es zuerst wissen, dachte sie. Schließlich ist sie meine Schwester. Und Ulrich wird uns sowieso besuchen.
    Abrupt hielt sie den Atem an und erstarrte. «Babur!», flüsterte sie und reckte den Kopf. Noch einmal ertönte das Bellen.
    «Babur!» Marie ballte die Fäuste und schrie aus Leibeskräften. «Babur!» Die Stimme versagte ihr. Schluchzend sank sie in die Knie. «Wo bist du, Babur? Wo?»
    Ihr Herz schlug, als wollte es zerspringen. Aber sosehr sie es sich auch wünschte: Babur bellte kein drittes Mal.
     
    Hanna hatte ihren Entschluss bislang keine Sekunde bereut. Je länger sie darüber nachsann, umso mehr erschien ihr die Begegnung mit Ursula als eine glückliche Fügung.Auch wenn sie keine Angst vor dem Alleinsein hatte: Die zurückliegenden Ereignisse hatten ihr klargemacht, dass am Ende dieses Jahres 1524 viel zu viele Männer

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