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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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es. Und wenn man nicht gleich schwanger davon wird, umso besser. Aber jetzt bist du an der Reihe: Wer ist denn dein Schatz? Für mich klingst du so, als ob er noch gar nichts von seinem Glück wüsste.»
    «O doch. Ich weiß sogar, wo er wohnt, wie alt er ist, wie seine Schwester und sein Hengst heißen   …»
    «Wer?»
    «Sag ich nicht.»
    Sie lachten beide gleichzeitig auf und streckten sich auf ihren Schlafstellen aus. Das Feuer war heruntergebrannt, draußen leuchtete ein fast weißer Mond. Hanna hörte Marie schmatzen, küsste sie auf die Stirn. Wenn du nicht wärst, dachte sie gerührt. Dann ging’s uns allen schlecht.Du bist die Kleinste und Zarteste, hoffentlich geschieht dir nie ein Leid. Leise summte sie ein Kinderlied.
    Marie wachte auf.
    «Schlaf weiter, schlaf weiter   …»
    Hanna legte sich auf die Seite und zog Marie eng an sich. Marie seufzte wohlig. Ihre Atemzüge wurden tiefer und gleichmäßiger, doch kurz bevor sie einschlief, murmelte sie: «Und dann war da noch ein Mann, der hat gesagt, er hat die Brandseuche.»

19
    Als Ursula Hanna morgens zur Schicht weckte, hatte Hanna das Gefühl, in ihrem Innern beginne ein Mühlrad anzulaufen. Es drehte sich zunehmend schneller und erfüllte sie mit immer größerer Unruhe. Gestern Abend noch war die Müdigkeit stärker gewesen als das, was Maries Worte in ihr ausgelöst hatten, doch jetzt konnte sie sich so viel eisiges Wasser ins Gesicht spritzen, wie sie wollte: Unablässig zogen ein und dieselben Bilder an ihr vorüber.
    Er hatte einen Tanzbärengang   … und das lange Hemd war alles, was er auf dem Leib trug. Dann die blutigen Armschrunden. Er stapfte zum Brunnen und trank gierig. Da wusste ich es sofort: Er hat die Brandseuche.
    Also hat sich wieder ein Gesicht erfüllt. Oder?
    Hanna nagte an ihrer Unterlippe. Oder bilde ich mir dies jetzt alles nur ein, weil Marie von der Brandseuche gesprochen hat? Weil ich so etwas schon einmal gesehen habe, jeder kennt doch solche Bilder. Was ist schon Besonderes an ihnen?
    Ich brauche nur Marie zu fragen, sagte sich Hanna. Einpaar Worte von ihr, und ich weiß, ob mein Gesicht wahr geworden ist. Aber soll ich sie deswegen aus dem Schlaf reißen?
    Ich muss es   … sofort.
    Nein, später. Erst die Arbeit.
    Sie lüftete den Meiler und wartete. War der Rauch schon blau? Wenn ja, konnte die Holzkohle geerntet werden. Hanna kniff die Augen zusammen. Das fahle Morgengrau machte es schwer, Farben zu erkennen. Aber dann gab es noch den Geruch: Ein wenig brenzlig musste es riechen, fast so wie Räucherwerk. Hanna ging ein paarmal um den Meiler herum und riss an einigen Stellen die Decke ein.
    Alles fertig, entschied sie.
    Sie deckte die luftzuführenden Kanäle ab, sodass keine Luft mehr angesogen werden konnte, und befreite den Meiler vom Rest seiner Decke. Qualm und Ruß raubten ihr den Atem, aber die Mühe hatte sich gelohnt: Pechschwarze, leicht rauchende Stämme kamen zum Vorschein, die nun langsam in der Kälte abkühlen konnten.
    Hanna wusch sich Hände und Gesicht und atmete tief durch. Es hilft nichts, sagte sie sich. Schwesterchen, bitte entschuldige, dass ich dich jetzt wecke, aber ich muss es wissen.
     
    Es war gegen Mittag. Aus einem hohen hellgrauen Himmel grieselte Schnee, der dann und wann von einem Windstoß verwirbelt wurde. Zuweilen sah es so aus, als würde die Wolkendecke aufreißen und sich die Sonne blicken lassen, doch in Wahrheit schoben sich die Wolken immer dichter zusammen, und das Bleigrau verlor zusehends an Helle.
    Hufschlag erklang. Du kommst wie gerufen, freute sich Hanna und wollte Ulrich entgegenlaufen, doch schon im nächsten Moment hörte sie, dass nicht nur ein Reiter unterwegs war.
    Jetzt geht es los. Gott steh mir bei.
    Sie rannte in die Hütte und rief Marie zu, sie solle so schnell wie möglich nach Detwang aufbrechen.
    «Nein!» Marie stampfte trotzig mit dem Fuß auf. «Du hast gesagt, wir gehen zusammen.»
    «Das geht jetzt nicht mehr, du kleiner Soldat. Schnell, beeil dich.»
    «Da kommt ja jemand.»
    «Eben!»
    «Was ist denn los?», fragte Ursula. Im selben Moment ging schon die Tür auf.
    «Einen schönen guten Tag wünschen wir.»
    «Valentin! Du bist es. Ich dachte schon   … Himmel, hast du mich erschreckt.»
    Hanna klang aufrichtig erleichtert und machte Marie ein Zeichen, dass sie dableiben konnte. Hinter Valentin trat noch einer der Leitgeb-Zwillinge in die Hütte, derselbe, der Valentin vor ein paar Wochen nach dem Kirchgang auf sie aufmerksam gemacht

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