Das Gesicht des Teufels
erwarben, traten meine Vorfahren dem Orden bei. Wir wurden Lehensempfänger, und das heißt: Treu und brav zahlen wir Jahr für Jahr an die Landkomturei, die jetzt in Mergentheim ihren Sitz hat.»
Hanna hörte nur mit halber Aufmerksamkeit zu, so aufgeregt war sie. Jetzt geht es dir gleich an den Kragen, dachte sie. Was ist, wenn Ulrichs Mutter mich gar nicht hierhaben möchte? Dann muss er sich entscheiden. Seine Familie oder ich. Aber auch wenn er es nicht tut: Ich werde es auf jeden Fall tun.
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Ulrichhakte sich bei ihr unter und betrat mit ihr den mit Ährenkränzen geschmückten Vorraum, von wo aus nach beiden Seiten etliche Türen abgingen und eine breite Steintreppe ins Obergeschoss führte. Es duftete nach süßsaurer Suppe, frischem Brot, Gebratenem und Most.
«Wir werden uns alle zu beherrschen wissen», sagte Ulrich an Ursula gewandt. «Dabei läuft mir das Wasser im Mund zusammen, wie einem Hund. Aber der Brauch fordert, dass der vierundzwanzigste Dezember Fastentag ist. Einen Becher Suppe wenigstens habe ich für uns ausgehandelt. Kommt schnell.»
Als Ulrich mit ihr in eine holzgetäfelte Stube trat, bekam Hanna ganz taube Ohren vor Anspannung.
«Überraschung!», kam es ihnen aus der Stube entgegen.
«Frederike!» Hanna musste gegen eine Ohnmacht ankämpfen, doch schon hatte Ulrich sich von ihr losgemacht und umarmte Frederike, die neben dem Kamin stand und ihm keck erst die rechte, dann die linke Wange zum Kuss bot. Hanna erkannte mit einem Blick, dass Frederike von Neustett ein schlankes und rankes Frauenzimmer war. Eigentlich war sie recht hübsch, nur ihre unsinnlich schmalen Lippen verliehen dem insgesamt puppenhaften Gesicht etwas asketisch Abweisendes. «Anscheinend haben wir es heute alle mit den Überraschungen», begann Ulrich, fasste Hanna an der Hand und zog sie neben sich. «Aber das ist wunderbar. So kann ich dir nämlich jetzt schon Hanna vorstellen. Sie ist die Tochter von Tilman Völz, dem Köhler.»
«Oh, wie edel.» Frederikes Stimme färbte sich spitz, ihr Blick wurde eng. Sie rührte sich nicht von der Stelle, machte sich steif und schaute beflissen an Hanna vorbei zu Ursula. «Und die andere, wer ist das? Eure neue Obermagd?»
«Nein, Frederike. Das ist Ursula Neusser aus Ohrenbach. Ihr Mann hat sich den aufständischen Bauern angeschlossen und macht gerade Pläne mit ihnen, euren Besitz mit dem roten Hahn zu zieren.» Nur das Prasseln des Kaminfeuers war zu hören. Frederike riss die Augen auf und starrte Ulrich erschrocken an. Dieser schaute sie ruhig an, schließlich aber schüttelte er den Kopf und fuhr in einem Ton fort, als würde ein Erzieher seinen Zögling maßregeln. «Frederike, du weißt doch: wie man in den Wald hineinruft und so weiter. Ich wünsche mir, dass du jetzt nicht die Hoffärtige spielst. Das bist du nämlich nicht. Und was Hanna betrifft, sollst du wissen, dass ich mich an Ostern mit ihr verloben werde.»
«Ostern?» Frederikes Stimme klang glockenrein. «Da habe ich ja noch genügend Zeit.»
Sie schlug die Hand vor den Mund und verließ glucksend die Stube.
Ulrich entschuldigte sich bei Ursula, legte den Arm um Hanna und zog sie an sich. Hanna atmete erleichtert aus, aber sie musste sich auch eine Träne aus dem Auge wischen.
Da ging die Tür auf.
Marie polterte herein, und wenige Augenblicke später erschien Katharina von Detwang, Ulrichs Mutter: «Willkommen auf unserem Gut, Hanna Völz. Mir scheint, Frederike ist ein bisschen aufgekratzt. Natürlich ist sie eifersüchtig. Aber welche Frau wäre das nicht? Bei so einem Sohn?» Sie reichte erst Hanna, dann Ursula die Hand, wandte sich dann aber sofort an Marie. «So, und du gehst jetzt in die Küche und sagst Bescheid, dass sie uns Suppe auftragen.»
«Darf ich auch naschen?»
«Was denn?»
«Vom Hefezopf.»
«Na gut, aber nur eine Scheibe.»
«Mit Butter?»
«Nein.»
«Egal, schmeckt ja auch so.»
Marie tanzte hinaus, Katharina von Detwang sah ihr nach.
«Sie ist goldig und gescheit. Wir haben zusammen in der Heiligen Schrift die Weihnachtsgeschichte gelesen, nur noch wenige Wochen, dann kann sie’s allein.»
«Danke. Ihr seid zu gütig, Frau von Detwang.»
Hanna knickste, Ulrichs Mutter lächelte.
«Sie ist Ulrichs Mantelkind. Also bin ich die Mantelgroßmutter. Der Herr hat es so gewollt. Anscheinend auch, dass mein Sohn ganz und gar vergessen soll, welchen Stand er hat. Aber alles hat bekanntlich seine Zeit.»
«Das hat Frederike
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