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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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auch gerade gesagt, Mutter.» Ulrich klang ernst und beherrscht, aber Hanna hörte auch seinen spöttischen Unterton. «Allzu viel Zeit freilich haben wir nicht   … womit ich meine, dass es bis Ostern nicht gar so lang ist. Da werde ich mich nämlich mit Hanna verloben.»
    «Wie schon gesagt: Alles hat seine Zeit. Zum Glück hat deine alte Mutter immer und überall noch ein Wörtchen mitzureden.»
    Trotz dieser Worte klang Katharina von Detwang alles andere als hochmütig. Hanna fing einen Blick von ihr auf, der zu besagen schien: Ich verstehe meinen Sohn, du bist wirklich eine Augenweide.
    Auf jeden Fall freue sie sich, fuhr sie liebenswürdig fort, sie beide über Nacht im Haus zu haben, das Gästezimmer befinde sich unterm Dach. Natürlich bräuchten sie nicht zu frieren, setzte Ulrich hinzu, er habe bereits am Mittag zwei Kohlenbecken hinaufschaffen lassen.
    Mit der sich lösenden Anspannung meldete sich beiHanna der Appetit zurück. Tatsächlich kam Marie wenig später mit dem Suppentopf, eine Küchenmagd brachte etwas Brot, irdenes Geschirr und einfache Holzlöffel.
    Gemeinsam setzte man sich an den Tisch und löffelte schweigend die Suppe.
    Und Frederike?, fragte Hanna sich. Wo ist sie? Ist sie sich sogar zu fein, mit Ulrichs Mutter am Tisch zu sitzen?
    «Frederike will die Fasten streng einhalten und ruht jetzt bis zur Mette», sagte Ulrichs Mutter, als habe sie Hannas Gedanken gelesen.
    Mehr wurde nicht gesprochen. Ulrich geleitete Hanna und Ursula unters Dach und zeigte ihnen ihr Zimmer, während Marie wieder in die Küche ging.
    «Federbetten», flüsterte Ursula andächtig, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. «Wenn ich mich mit so was zudecke, bin ich im Reich der Träume, noch bevor mein Kopf das Kissen berührt.»

21
    Sie waren beide sofort eingeschlafen. Gegen Mitternacht wurden sie von Ulrichs Diener Gustav geweckt. Marie lag auf ihrem Kinderlager, das aus zwei Strohmatratzen und mehreren Decken bestand. Hanna küsste sie auf die Stirn, kichernd schlug Marie die Augen auf: «Ich war die ganze Zeit wach. Ihr schnarcht beide.»
    «Das hast du geträumt.»
    «Nie, schließlich hab ich mir vorgestellt, was ich in welcher Reihenfolge nachher alles esse.»
     
    Zur Mette hatten sich vor allem Männer in der von Dutzenden Kerzen erleuchteten Detwanger Kirche versammelt.Allen stand die Vorfreude ins Gesicht geschrieben, sich anschließend den Gaumenfreuden hinzugeben, selbst der Pfarrer schien es darauf abgesehen zu haben, die Christmesse so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ohne erkennbare Gemütsregung intonierte er die heiligen Gesänge, und beim abschließenden Abendmahl riss er jedem den Kelch, kaum dass er ihn berührt hatte, wieder von den Lippen.
    Es war eine der hastigsten Metten, die Hanna bislang erlebt hatte. Als sie sich alle frohe Weihnachten wünschten, las sie in jedem Gesicht nur ein und dieselbe Frage: Was kommt jetzt gleich auf den Tisch? Selbst das Läuten der Kirchenglocken scheint hier kürzer zu dauern als das in Neusitz, dachte Hanna und beobachtete, wie die Detwanger in alle Himmelsrichtungen auseinanderliefen.
    Im großen Saal des Gutshauses lichteten sich die Bratenplatten schnell. Das Tischweinfass musste zweimal nachgefüllt werden, alle aßen, als gelte es, eine Wette zu gewinnen. Katharina von Detwang schüttelte nur noch den Kopf. Früh hob sie die Tafel auf, Ulrich geleitete Frederike, die zu viel getrunken hatte, auf ihr Zimmer. Hanna und Ursula blieben bis zuletzt an der Tafel sitzen, Marie trieb sich bereits wieder in der Küche herum.
    «Vorhin dachte ich, ich könnte jetzt nicht mehr schlafen», murmelte Ursula. «Aber nach so viel Wein   …»
    Ursula gähnte und erhob sich, auch Hanna spürte jetzt, wie müde sie war.
    Wo war Ulrich? Etwa bei Frederike?
    Ist mir jetzt auch egal, dachte Hanna. Er wird schon seine Gründe haben.
     
    In einer der beiden Truhen lagen zwei dicke Nachthemden und Bastsandalen. Hanna löste ihr Haar, kämmte es und band es zu einem losen Zopf. Darauf spülte sie ihrenMund mit reichlich Wasser aus, das sie in den bereitstehenden Nachttopf spuckte. Als sie schließlich die Lampe löschte, war Ursula bereits eingeschlafen.
    Hanna streckte sich. Das Federbett bauschte sich so hoch, dass sie die gegenüberliegende Wand nicht mehr sah. Sie drehte den Kopf, um aus dem Fenster zu schauen. Myriaden von Sternen standen am Himmel, vorhin hatte sie noch die Mondsichel gesehen.
    Trotz des Weins bin ich auf einmal wach, dachte sie.

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