Das Gesicht des Teufels
schönes Kleid, Hanna.» Sie schritt einmal um sie herum, legte den Kopf zur Seite und schnippte ein Stäubchen vom Ärmel. «Den Schmuck aber hat er vergessen. Oder sollst du ihn dir zusammensparen?»
«Frederike, bitte beherrsche dich.»
Katharina von Detwang klang ungewöhnlich scharf. Frederike setzte sich wieder und angelte sich beleidigt ein Stück Hefezopf.
«Er ist von Sinnen», murmelte sie vor sich hin.
«Ist er nicht.» Hanna nahm all ihren Mut zusammen. «Liebe geht ihre eigenen Wege. Sie kennt keine Standesunterschiede.»
«Was weiß eine Köhlerin davon?», begehrte Frederike auf. «Himmel nochmal! Wer hat denn die Stände geschaffen? Doch wohl unser himmlischer Vater, oder? Hätte er gewollt, dass der Bettler die Gräfin freit, gäb es keinen Bettler und keine Gräfin, kein Unten, kein Oben. Natürlich soll auch der Bettler lieben. Aber doch bitte seinem Stand gemäß!»
«Menschen sind aber nicht wie Vieh auf der Weide, das vor dem Zaun haltmacht. Gefühle sind frei. Wie die Gedanken.» Hanna versuchte, ihren Ton zu mäßigen, aber es gelang ihr nicht. Unterdrückte Wut schwang in ihrer Stimme mit, sie hatte sich sogar hinreißen lassen, die Fäuste zu ballen. Besorgt schaute Ursula sie an und legte ihr die Hand auf den Arm, doch Hanna schüttelte sie ab und fuhr fort: «Liebe zu empfinden und zu schenken ist das reinste und tiefste Glück der Welt. Es macht uns nämlich gut, Dame Frederike von Neustett.»
«Ich muss mir von dir nicht sagen lassen, was gut oder nicht gut macht!» Frederike starrte stur vor sich hin. Ihr schmaler Mund glich einem Strich, ihr rundes Gesicht war fleckig vor Abneigung.
Katharina von Detwang seufzte unwillig auf und wies Hanna und Ursula an, sich endlich zu setzen. Schweigend aßen alle vom Hefezopf, nach einer Weile wurden Brot, Eier und kalter Braten aufgetragen. Katharina von Detwang bekam Milch mit Honig, weil sie in regelmäßigen Abständen hüstelte, Frederike, Hanna und Ursula tranken eine Kräuterteemischung.
«Ulrich hofft, die Nacht war angenehm, und lässt herzlich grüßen», sagte Katharina von Detwang nach einer Weile. «Ich vergaß zu erzählen, dass er in der Frühe aufgebrochen ist.»
«Wie, er ist nicht mehr da?»
Hanna rutschte fast der Teebecher aus der Hand.
«Natürlich nicht, Hanna», zischte Frederike gehässig. «Schließlich hat er Wichtigeres zu tun, als mit dir zu turteln. Was glaubst du, welche Verantwortung jetzt auf seinen Schultern ruht.»
«Aber wir …»
Sie biss sich im letzten Moment auf die Zunge. Von einem Augenblick auf den anderen war sie völlig durcheinander. Wie kann das sein?, begehrte sie im Stillen auf. Warum hast du mir nichts davon gesagt? Wir haben uns doch geliebt … geliebt …
«Er hat vom Landkomtur eine Einladung nach Mergentheim bekommen», fuhr Ulrichs Mutter fort. «Sie wollen beratschlagen, wie mit den Bauern umzugehen ist.»
«Ulrich hat mir doch aber erzählt, er richte hier ein Fest für die Deutschherren aus. Deswegen sollten Ursula und ich ja auch …»
Hanna sprach nicht weiter. Sie kämpfte mit den Tränen, sie fühlte sich im Stich gelassen und getäuscht.
Warum tust du mir das an?, schrie es in ihr. Warum? Nach einer solchen Nacht? Was hab ich dir getan?
«Die arme Hanna. Hat mein guter Ulrich dir etwas vorgemacht?»
«Er ist nicht ‹Euer guter Ulrich›!»
«Hat der gute Ulrich dir ein Kleidchen geschenkt, damit es dich in seiner Abwesenheit tröstet?»
Frederikes Stimme troff vor Spott. Hanna zitterte vor Empörung und vor Schmerz. Sie fand keine Worte mehr, die Süße, die sie vor ein paar Minuten noch in sich gespürt hatte, war reiner Bitternis gewichen. Mühsam erhob sie sich, verbeugte sich vor Ulrichs Mutter und sagte, sie würde dann jetzt lieber nach Hause gehen.
«Das tu nur, Hanna.»
Frederike klang ganz von oben herab, wie ein Beichtvater,der den Sünder nach Erteilung der Absolution des Beichtstuhls verweist.
Aber auch Ulrichs Mutter machte sich nicht die Mühe, Hanna in irgendeiner Weise zu trösten. «Nun, ob du gehst oder bleibst, das musst du allein entscheiden. Wir sind keine Büttel, die dich zu etwas zwingen.»
«Eben», mischte sich Frederike wieder ein. «Und dein Schwesterlein nimm vielleicht auch besser mit. Nachher zerreißt es ihr genauso das Herz, wenn du auf einmal nicht mehr da bist.»
«Nein, Marie soll lieber bleiben. Ulrich hat sie schließlich mir anvertraut. Wenn es um sein Mantelkind geht, versteht er keinen Spaß.»
Katharina
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