Das Gesicht des Teufels
Tagen die Welt erschaffen hat, am siebten Tag ausgeruht.
Gespartes Geld ist gesegnetes Geld. Und das ist einfach mehr wert.
Hanna war zufrieden mit sich. Sie glaubte, reifer und weiser geworden zu sein. Dass sie jetzt richtig schreiben und lesen konnte, erfüllte sie mit Stolz. Vielleicht werde ich mir eines Tages auch eine dieser berühmten Übersetzungen des Neuen Testaments leisten können, dachte sie nach der Neujahrsmesse. Pfarrer Stöcklein aus Neusitz hat sie sich angeschafft. Seit Advent, seit er die Messe auf Deutsch hält, können wir jetzt alle den Lesungstext verstehen. Jetzt wissen wir endlich, was unser Heiland wirklich gesagt hat.
Endlich hatte sie Zeit, sich auch einmal auszuruhen – was nicht bedeutete, dass die Köhlerarbeit stillstand. Einen Meiler müssen wir am Kochen haben, hatte sie Ursula gegenüber entschieden: «Denn Nichtstun ist aller Laster Anfang.» Ursula hatte nichts dagegen, und so arbeiteten sie zuweilen gemeinsam an der Kohle, standen gelegentlich selbst nachts zur selben Zeit auf, um den Meiler zu lüften und auf Dichtigkeit zu untersuchen.
Das Winterwetter hielt sich, wenn es auch nicht mehr schneite. Eisige Nächte wechselten mit sonnigen Tagenab, die Welt schien stillzustehen, Zeit wurde nebensächlich. Hanna hatte Ulrich verziehen und wärmte sich an ihren Erinnerungen. Wenn sie gedankenverloren vor der Herdstatt kauerte, dachte sie an den großen Badezuber, wenn sie Felle und Decken ihrer Schlafstätte ausschüttelte, wünschte sie sich, dass Ulrich sie beobachte und ihr zulächelte. Wie sehr sehnte sie sich danach, seinen Körper zu spüren. Nachts streichelte sie ihre Brüste, und wenn sie ihrem Drängen nachgab und sich selbst berührte, schämte sie sich, weil sie glaubte, dass sie ihn verriet. Immer aber wenn Ursula sie neckte, ob sie jetzt wisse, was es bedeute, einen Mann zu vermissen, schloss sie die Augen und lächelte.
Am Heiligen-Drei-Königs-Tag zog sie Ulrichs Kleid an.
Die Neusitzer unterbrachen ihre Gespräche, als sie zur Messe kam. Stolz reckte Hanna den Kopf und wurde von einigen zum ersten Mal zuerst gegrüßt. Burschen pfiffen, Mägde und Bäuerinnen steckten die Köpfe zusammen. Hanna fing böse Blicke von Valentins Eltern auf, die Leitgeb-Zwillinge dagegen ließen aufreizend deutlich ihre Zungen über die Lippen wandern.
«Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden», hörte sie eine ihr fremde Stimme hinter ihrem Rücken sagen, als sie an der Seite Imkes, der ehemaligen Lumpensammler-Witwe, die Kirche betrat.
Hanna fuhr herum, doch sie sah nur leutselige Gesichter.
«Mach dir nichts daraus, Hanna», tröstete Imke sie. «Und wenn sich auch alle das Maul zerreißen, ich freue mich für dich. Die anderen sind nur neidisch. Was glaubst du, wie sie sich die Köpfe heiß geredet haben, als du und deine Freundin Ursula mit dem von Detwang’schen Schlitten über den Dorfplatz kamt. Da wucherten aber die Geschichtchen und Hirngespinste …»
«Welche denn?»
«Das erzähle ich dir lieber nicht. Aber sag, bist du schwanger? Dein Haar sieht so füllig aus. Nur um die Nasenspitze bist du ein bisschen blass.»
Sie stellten sich neben einen Pfeiler, Hanna hauchte in ihre Hände, so kalt waren sie.
«Woran merkt man das denn?»
«Die meisten sagen, wenn die Tage aussetzen, dann sei es so weit.»
Imke schaute sie bedeutsam an. Hanna wurde rot, doch zum Glück brauchte sie nicht mehr zu antworten, denn die Messe begann. Die Worte von Ulrichs Mutter kamen ihr in den Sinn. Sie hat gesagt, ich könne mich auf sie verlassen, erinnerte sie sich. Aber was meint sie eigentlich damit? Würde sie mir das Kind wegnehmen? Weil sie endlich leibliche Großmutter werden möchte?
Hanna spürte plötzlich ein Ziehen im Unterleib. Sie begann zu rechnen, zählte die Tage, gab es aber bald auf. So was merkt man sich doch nicht, sagte sie sich unwillig und kreuzte die Hände vor ihrem Leib, weil das Ziehen im Unterleib stärker wurde. Es ist das Stehen in der Kälte. Schon beim Aufstehen hatte ich kalte Füße. Die Zehen waren irgendwie taub.
Und so dumm, nicht zu frühstücken, kann auch nur ich sein. Wäre ich lieber beim Meiler geblieben.
Das Ziehen wurde noch stärker. Hanna biss die Zähne zusammen, doch plötzlich begann sie zu keuchen. Imke stieß sie in die Seite.
«Ich kann nicht mehr», zischelte Hanna. «Mir ist nicht wohl.»
«Kindchen, du bist schwanger.»
«Nein, lass mich, Imke.»
Sie drängte sich durch die Reihe, begann aber plötzlich
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