Das Gesicht des Teufels
Herz aus dem Leib. Da wachte sie auf.
Das Erste, was sie wahrnahm, war der Duft frisch angeschwitzter Zwiebeln, dazu sang Ursula eine monotone Melodie. Hanna blinzelte und sah zu, wie Ursula Milch und Eier verquirlte und anschließend Weißbrotrinde darüber rieb.
Sie goss die Masse in die Pfanne, fügte kleingewürfelten Rauchspeck hinzu und würzte mit Kümmel und Bockshornklee.
Ach was, Träume sind Schäume, dachte Hanna. Sie bedeuten nichts. Da halte ich mich doch lieber an die handfesten Genüsse.
Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, als sie sich ankleidete. Ursula zeigte auf den bauchigen Tonkrug, den sie gestern aus Rothenburg mitgebracht hatte: «Ein Becherschadet nicht, zwei sind bekömmlich, drei machen lustig.»
Hanna füllte zwei Becher ab, Ursula wendete den Eierkuchen.
«Mach schnell, ich vergeh vor Hunger.»
«Haben wir vorhin beide Glück gehabt, was?»
«Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.»
«Ach, nun komm aber. Es dämmert doch schon.»
Hanna tupfte die letzten Reste mit einem Stück Brot aus der Pfanne auf, Ursula gönnte sich einen dritten Becher Wein. Es dunkelte bereits, aber noch waren die Sterne nicht zu sehen. Urplötzlich knallte von außen etwas gegen die Hüttenwand, gleich darauf gegen die Tür.
«Hexe, komm raus!» Fäuste donnerten dumpf an Tür und Wände, kurz darauf krachte wieder etwas hell und hart gegen die Hüttenwand. «Zeig dich oder brenne!»
Der gespenstische Schein von Fackeln fiel durch die beiden Fenster, Schnee rutschte vom Dach, Pfiffe gellten.
Hanna war wie gelähmt. Denken und Fühlen hatten ausgesetzt, sie konnte nicht einmal mehr schlucken.
«Schnell, zieh dich an.» Ursula riss sie hoch und schubste sie zum Haken, wo Mantel und Mütze hingen. Willenlos schlüpfte Hanna in den Mantel und zog ihre Winterkappe über. «Hau einfach ab. Nach Detwang oder ins Kloster.»
«Raus mit der Hexe!», scholl es von draußen im Chor. «Raus, raus, raus!»
Ursula atmete tief durch. «Jetzt gilt es», sprach sie sich Mut zu, schob den Riegel zur Seite und stürzte aus der Tür: «Ich, eine Hexe? Ich werd euch zeigen, was ich bin!» Sie bückte sich nach den Steinen und schleuderte sie schimpfend gegen den nur schemenhaft erkennbaren Haufen von vielleicht einem Dutzend Männer und Frauen. «Ihr böse Brut, ihr Verleumder! Ihr todnärrisches Pack, ihr!»
Wie eine Furie rannte sie wild fuchtelnd auf die Menschen zu. Unentwegt schrie sie irgendwelche Schimpfwörter, warf Steine und Holzstücke und versuchte, so viel Schnee wie möglich aufzustieben.
Ihre List gelang. Erschrocken wichen die Menschen zurück, Frauen schrien, sie sei besessen, und als Ursula einer die Fackel entriss und damit auf die Lichtung rannte, wussten die meisten einen Moment lang nicht, was sie tun sollten. Nur zwei Jugendliche rannten ihr nach, doch schneller als Ursula lieb war, durchschaute ein Mann die List und rief: «Zum Teufel, das ist doch gar nicht die Völz!»
Er stürmte auf die Hütte zu, während andere, die Hanna gesehen hatten, ihr gleich nachsetzten. Hanna hatte allerdings schon genügend Vorsprung. Sie war ein Stück weit den Weg nach Neusitz gerannt und dann spontan mit einem weiten Satz ins Unterholz gesprungen. Keuchend stolperte sie vorwärts, hoffte auf die Dunkelheit.
Warum muss jetzt auch Schnee liegen, dachte sie verzweifelt. Sie brauchen nur der Spur folgen. Dann hetzen sie mich wie ein Stück Wild.
Sie hörte Geschrei, sah sich um und erblickte die Lichter der Fackeln.
«Sie ist in den Wald!»
«Hinterher, schnell!»
Hanna sprang über einen morschen Baumstumpf, fiel hin, rappelte sich prustend wieder auf. Sie haben keine Hunde dabei, schoss es ihr durch den Kopf … keine Hunde.
Ein Ast peitschte ihr ins Gesicht, wenige Schritte weiter vertrat sie sich den Fuß in einer Kuhle. Die Angst aber trieb sie vorwärts, und für kurze Momente hatte sie das Gefühl, über den tiefverschneiten Waldboden zu fliegen.
«Wir müssen sie einkreisen!»
Die Stimme klang schon nicht mehr nah, Hanna aber spürte, wie ihre Kräfte nachließen. Im Schutz einer Gruppe halbhoher Fichten blieb sie stehen und versuchte, ihr Seitenstechen wegzuatmen. Ein Schneehäubchen fiel ihr genau in den Nacken, am linken Schuh hatte sich an einer Stelle das Leder von der Sohle gelöst. Ihre Strümpfe waren nass, auch der Saum ihres Mantels war durchnässt.
Hanna stolperte weiter. Nach Osten, dachte sie. Wo es am dunkelsten ist.
Nach einer Weile blieb sie wieder stehen und
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