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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Aufreiter streut allen Sand in die Augen. Er spielt den Samariter, dabei ist er der brutalste Grundherr. Wer den kleinen und großen Zehnt nicht aufbringt, wie er ihn errechnet, dem schreibt er’s als Schulden an – und das immer so weiter, bis der andere ihm seinen Hof überschreibt, weil er sich bis über den Hut verschuldet hat. Solche armen Leute werden dann verjagt und müssen sich woanders als Knechte und Mägde verdingen. Ihr Hof aber wird vom Aufreiter verpachtet. Aber lang geht das nicht mehr so, dann kann er was erleben. Warum sollst du sein Getreide verhext haben?»
    «Das ist eine andere Geschichte   … und hat was mit dem Herren-Müller zu tun, dem er es heimlich abgekauft hat.»
    «Erzähl’s uns.»
    «Wenn ihr mir nichts tut   …»
    Verächtliches Auflachen ließ sie zusammenfahren. «Wenn wir den Grundherren mal ein Stück Wild wegfangen, dann, weil wir überleben wollen. Unser Gewissen ist rein. Und das soll so bleiben. Schließlich haben wir selbst Frauen und Kinder. Also komm mit. Übrigens bin ich der Joachim Rössler. Alle aber sagen nur Jockel.»
    Nacheinander krochen sie durch den Durchschlupf. Die Männer ächzten vor Anstrengung, denn immer wieder verhakte sich das Wildschwein in der stacheligen Weißdornhecke. Die im Sommer sumpfigen Grabengründe war jetzt gefroren, trotzdem roch es brackig und modrig. Hanna riss sich die Kopfhaut blutig und blieb mehrmals an den Dornen hängen, so eng war der Durchschlupf. Doch schließlich hatten sie es geschafft, und Hanna war sogar wieder warm, als sie sich auf der anderen Seite der Hegehecke endlich wieder aufrichten konnte.
     
    Das Versteck lag in einer Senke, die von einem knapp aus dem Boden ragenden Felsen beherrscht wurde. Darunter befand sich der Eingang zu einer Höhle. Hanna hockte sich an die Feuerstelle, legte Gräser und kleinste Zweige auf die Glut und entfachte schließlich ein neues Lagerfeuer.
    «Wenn ich etwas kann, dann Feuermachen», sagte sie, zog Schuh und Strümpfe aus und streckte ihre eisigen Zehen der Wärme entgegen.
    «Was hätt’st du eigentlich ohne uns gemacht?», fragte Jockel, nachdem Hanna ihre Geschichte mit Jobst Gessler erzählt hatte.
    «Ich glaube, ich wäre wieder nach Hause gelaufen.»
    «Und ihnen damit geradewegs in die Arme?»
    Hanna zuckte die Schultern und schwieg. Von Ulrich hatte sie nichts erzählt, hier erschien es ihr wie ein Traum, was sie mit ihm erlebt hatte. Dumpf starrte sie in die Flammen und schüttelte zuweilen fassungslos den Kopf. Und doch habe ich zu Hause sein Kleid in der Truhe, sprach sie sich Mut zu. Das ist so wahr wie Ulrichs Versprechen, wir würden uns verloben.
    Aber galt dies auch noch für eine unter Hexereiverdacht stehende Köhlerin?
    Derweil brachen die Wilderer das Schwein auf und schlugen es aus der Decke. Der Gestank von Suhle und Blut, das Dampfen der Innereien und die Geräusche der zerwirkenden Messer sorgten bei Hanna für Übelkeit. Sie warf etwas Laub ins Feuer und wedelte sich den Rauch zu, wenig später übermannte sie tiefe Müdigkeit. Sie lehnte sich an den Fels und schloss die Augen.
    Der kalte Stein ließ sie freilich bald wieder näher ans Feuer kriechen. Fröstelnd legte sie Holz nach. Wenigstens waren die Strümpfe wieder trocken, trotzdem hätte sie gerne etwas Heißes getrunken.
    «So, das Schwein ist zerlegt. Wir füllen unsere Rucksäcke und verdrücken uns. Verpfeif uns nicht.»
    «Nie im Leben. Aber soll ich die ganze Nacht hier bleiben? Wie finde ich von hier aus wieder zurück? Ich muss nach Rothenburg.»
    Die Männer sahen sich an. «Gut, morgen früh kommt einer von uns und führt dich bis Kirnberg», versprach Jockel.
    «Ihr lasst mich mit diesem stinkenden Kadaver allein?»
    «Wirst es überleben. An den Knochen ist noch genug dran. Wirf sie ins Feuer, mach’s dir gemütlich.»

23
    Halbtot vor Müdigkeit schwankte Hanna durch die eisige neblige Luft. Der Kopf tat ihr weh, Beine und Zehen schmerzten, und wenn sie aufschaute, fuhr ihr die Kälte so unbarmherzig in die Knochen, dass ihr die Zähne unwillkürlich klapperten. Der Weg nach Rothenburg kam ihr endlos vor, erst als sie hinter Gebsattel das Taubertal erreichte, schöpfte sie allmählich Mut.
    Doch als endlich das Rödertor in Sicht kam, wurde sie unruhig.
    Was passiert, wenn mich jemand erkennt?, fragte sie sich. Bestimmt waren gestern nicht nur Neusitzer, sondern auch Rothenburger hinter mir her. Es werden nicht wenige sein, die von Aufreiters Samariter-Korn gegessen haben.

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