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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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lauschte. Bis auf ihren keuchenden Atem war es still. Zitternd vor Anspannung schaute sie um sich. Nach einer Weile knackte es in ihrer Nähe, Stimmen aber waren auch jetzt nicht zu hören.
    Ich habe sie abgeschüttelt, dachte Hanna, und grenzenlose Erleichterung breitete sich in ihr aus. Hoffentlich lassen sie ihre Wut jetzt nicht an Ursula aus.
    Langsam schritt sie weiter. Ihr Atem beruhigte sich, dafür aber wurde ihr allmählich kalt. Nach einer Weile traf sie auf einen Weg, der entlang eines Heckenwalls verlief.
    Die Grenze der Landhege, dachte sie. Gehe ich links, komme ich zum Karrachgraben, gehe ich rechts, müsste irgendwann ein Abzweig nach Gebsattel oder Kirnberg kommen.
    Unschlüssig drehte sie sich auf der Stelle. Die Landhege war eine dreißig Schritt breite, mit dichten dornigen Hecken bepflanzte Grabenanlage. Sie stand jetzt auf dem inneren Hegeweg, hinter der doppelten Wehrhecke verlief der äußere Hegeweg. Beide Wege wurden regelmäßig vom Hegemeister und seinen Grabenreitern abgeritten und auf Schäden untersucht. Die Hecke sollte möglichst so dicht wachsen, dass ein Durchkommen eigentlich unmöglich war. Natürlich gab es schmale Schlupfpfade, aberdie glichen Kriechgängen und waren nur zu entdecken, wenn man genau hinschaute.
    Hanna erinnerte sich daran, wie ihr Vater mehrfach zur Heckenfron befohlen wurde, aber da diese Arbeit allen diente, hatte er sie gerne gemacht.
    Vater, wohin soll ich gehen?
    Hanna schaute in den Himmel, wo die Sterne aufgegangen waren. Da alles verschneit war und der Mond hell und voll schien, gab es genügend Licht. Hanna spürte ihre Zehen steif werden. Ein Kälteschauer nach dem anderen lief ihr über den Rücken. Ohne länger nachzudenken wandte sie sich nach rechts. Um wieder warm zu werden, begann sie zu rennen, doch schon nach kurzer Zeit meldete sich wieder das verhasste Seitenstechen.
    Nach einer Weile erreichte sie einen der befestigten Durchgänge der Hegegrenze. Natürlich war das hohe, eisenbeschlagene Balkentor jetzt geschlossen. Der runde Wachturm daneben aber war wie alle anderen der Hegegrenze besetzt.
    Hanna überlegte, ob sie um ein Nachtlager bitten sollte.
    Ich könnte mich auf Bernward berufen, dachte sie. Die Notlüge würde er mir bestimmt nicht übel nehmen. Aber wie erkläre ich dem Türmer hier, warum ich verfolgt werde? Wenn ich sage, man verdächtigt mich als Hexe, werde ich bestimmt gleich festgenommen.
    Rasch ging sie weiter. Ihre Erleichterung wich der Furcht, kein Lager für die Nacht zu finden. Irgendwann werde ich vor Erschöpfung zusammenbrechen, dachte sie. Wenn ich mich dann in den Schnee setze und einschlafe, da kann ich mich auch gleich totschlagen lassen.
    Sie war nahe daran umzukehren, als ein Pfiff ertönte. Hanna zuckte zusammen. Ehe sie sich versah, brachen zwei Gestalten aus einem Durchschlupf der Hegeheckehervor. Hanna schrie auf, doch sofort wurde ihr eine Hand auf den Mund gedrückt.
    «Sei still. Was treibst du dich hier herum?»
    «Ich   … ich weiß gar nicht   …»
    «Wir können auch anders, wenn du dich dumm stellst.»
    «Nicht, bitte.»
    «Also, was spionierst du hier?»
    «Ich spioniere nicht. Es ist alles Zufall   … Ich wurde verfolgt, bin durch den Wald geflohen.»
    Die Männer sahen sich an. Einer von ihnen pfiff zweimal, umgehend wurde ihm mit einem Pfiff geantwortet. Zwei weitere Männer kamen aus dem Wald und zogen ein totes Wildschwein hinter sich her.
    «Glotz nicht. Wie heißt du?»
    «Hanna Völz.»
    «Etwa die mit den teuflischen Gesichten?»
    «Ja. Aber nichts daran ist teuflisch.»
    «Halt die Klappe. Warum hat man es auf dich abgesehen?» Hanna zögerte, ihre Gedanken gingen wild durcheinander. Doch die Männer ließen ihr keine Zeit für eine Ausrede. «Zum Teufel, mach den Mund auf!» Unsanft wurde Hanna an den Schultern gepackt und geschüttelt.
    «Viele sagen, ich hätte das Korn verhext, das der Aufreiter in Rothenburg hat verteilen lassen. Etwas davon wurde in den letzten Tagen wohl in Neusitz verkauft. Jetzt geht dort die Brandseuche um. Aber ich hab auch von dem Korn gegessen, bis vor ein paar Stunden ging es mir grausig elend.»
    Säuselnd pfiff einer der Männer durch die Zähne, die anderen nickten. Hanna entspannte sich. Es sind nur Wilderer, dachte sie. Ich habe sie überrascht.
    «Gut, wir glauben dir.» Der Mann, der gepfiffen hatte, schien das Sagen zu haben. Er war klein und untersetzt,sein Gesicht vor Gram tief zerfurcht. «Wir haben von dem schlechten Korn gehört. Der

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