Das Gesicht des Teufels
auf, Rahel wich zurück.
«Aus!»
Lienhart wollte Babur am Halsband fassen, doch blitzschnelldrehte der sich um und grollte so überraschend böse, das Lienhart mitten in der Bewegung erstarrte.
«Babur, nicht!»
Maries helle Stimme klang bestimmt, doch schon fror ihr Gesicht vor Entsetzen ein: Babur nämlich schnappte nach ihr, und entweder hatte sie einfach Glück, dass sie nicht in die Nase gebissen wurde, oder Babur war geschickt genug, sie nur tüchtig zu erschrecken. Mit dem nächsten Satz sprang er an ihr vorbei, bellte zweimal und war verschwunden.
«Euer Hund hat einen Dachschaden!», zischte Gisela.
Lienhart und Marie ließen die Köpfe hängen. Rahel aber hatte sich schnell wieder gefasst: «Er hat sich eben nach Hundeart benommen. Vertragt euch, dann kommt er zu euch zurück.» Sie wuselte beiden durchs Haar und drückte sie an sich. «So, und jetzt reicht ihr euch die Hand.»
«Er hat schon viele Unarten», meinte Lienhart leise.
«Mmh, das stimmt. Und eigentlich hat er mir auch nie gehorcht», pflichtete Marie ihm bei.
Während Marie und Lienhart beschlossen, gute Freunde zu werden, standen Hanna und Ulrich unter der alten Eiche vor dem Grab von Tilman Völz. Sie hatte die Arme um seinen Hals geschlungen, er hielt sie an den Hüften. Verspielt küssten sie sich, Hanna gar neckte Ulrich, indem sie ihm ein paarmal die Lippen auf die Nasenspitze setzte. Der Ritt durch den Wald hatte Hannas Haar zerzaust, jetzt wehte der Wind ihr eine Haarsträhne ins Gesicht und drückte ihr das Kleid gegen die Beine.
Hanna sah überglücklich aus. Ulrich hatte Tilman Völz an dessen Grab versprochen, dessen Kindern, was auch immer geschehen werde, beizustehen. Er hatte die rechte Hand auf die Vierung des Kreuzes gelegt und dies bei Ehre und Gewissen eines Deutschen Ritters geschworen.
Hanna lehnte sich mit der Stirn gegen Ulrichs Brust, der seinen Ordensmantel um sie legte. Lange standen sie so da und lauschten dem Wispern der Zweige, die sich über ihnen zu unterhalten schienen. Noch war hier draußen das Gras stumpf, aber der Boden war weich und atmete, wenn auch erst mit diesem Tag die letzten Schneereste am Nordrand der Lichtung weggetaut waren.
Ulrich hob den Blick zu den Ästen und Zweigen und blinzelte in einen Sonnenstrahl. «Es herrscht hier eine eigentümliche Stimmung. Als ob diese Eiche Mittler zwischen Himmel und Erde wäre und uns mit ihrer Aura etwas mitteilen möchte. Aber wir verstehen es nicht.»
«Ich hab sogar einmal den Stamm geküsst», flüsterte Hanna.
«Und, wie hat er geschmeckt?»
«So wie ein starker Stamm schmecken muss.»
Sie verboten sich beide, mehr zu sagen. Sie wollten ihre körperliche Sehnsucht nach dem anderen nicht neu entfachen – was Hanna zunehmend schwerfiel, aber sie hatte beschlossen, konsequent zu bleiben und das sich selbst gegebene Versprechen nicht zu brechen.
Ich bestrafe uns ja beide, dachte sie, ich mich genauso wie ihn … Aber Strafe muss sein. Wenigstens ein kleines bisschen.
Die zurückliegenden Wochen hatte Ulrich sie nur wenige Male im Kloster besucht. Dass er sie nach ihrer gemeinsamen Nacht im Detwanger Schlossturm Hals über Kopf verlassen hatte, hatte er mit seiner Liebe zu ihr gerechtfertigt: Ich wollte dich meiner Mutter vorstellen und gleich deutlich machen, wie es um uns steht. Und ich wollte dich haben … ehrlich und rein und mit der größten Leidenschaft, derer ich fähig bin. Ich hatte Angst, du würdest nicht mitkommen, wenn du gewusst hättest, dass ich hinterher nach Mergentheim reite.
Hanna hatte ihm längst verziehen, obwohl sie es noch immer nicht ganz verstand. Du hast noch ein Geheimnis, dachte sie und schaute zu ihm auf. So wie du mich damals bei unserer ersten Begegnung im Wald angeschaut hast, da war etwas in deinem Blick. Als ob du deinen Augen nicht trauen wolltest.
Bist du deswegen, ohne mir ein Wort zu sagen, zu deinem Landkomtur geritten? Weil du wieder nicht glauben wolltest, wen du da geliebt hattest?
Ulrich löste sich von ihr und pfiff nach Mahut. Sein Hengst antwortete wiehernd und kam langsam angetrabt.
«Und jetzt?»
«Wir reiten nach Rothenburg und überraschen Marie.»
Sie küssten sich erst zärtlich, dann immer leidenschaftlicher. Schwer atmend ließen sie schließlich voneinander ab. Ihre Augen funkelten, ihre Gesichter waren erhitzt. Hanna spürte die Glut ihres Schoßes, ihr Kopf war dumpf und schwer. Als Ulrich sie in den Sattel hob, presste sie ihren Unterleib gegen den Sattelknauf und
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