Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
wieder Menschen zu Tode kommen würden. Spätestens dann würde ich mich fragen, ob ich tatsächlich alles versucht, alles gegeben habe. Doch bin ich nicht gestern bereits an meine Grenzen gegangen, habe ich sie vielleicht nicht sogar schon überschritten?
» Kurt Klingenfuß wird dich unterstützen«, hörte ich den Ermittlungsgruppenleiter sagen.
Um Gottes willen, dachte ich. Zwei Männer, da macht die doch gleich zu! Klingenfuß stand bereits neben mir. Ich unterdrückte deshalb eine Äußerung, die mir schon auf der Zunge lag. Dann überlegte ich kurz: Warum nicht, kam mir in den Sinn. Mehr wie schiefgehen konnte es nicht. Und wenn einer die nötige Ausdauer hat, dann war es KK, wie wir unseren Kollegen scherzhaft nannten. Sein anderer Spitzname war » King of the Mountains«, weil Klingenfuß ein Bergsteiger war, der in dieser Sportart beachtliche Erfolge vorweisen konnte. Er war ein zäher, drahtiger Bursche, der kein Gramm zu viel auf den Rippen hatte. Bei Ermittlungen ging er meist sehr zielgerichtet vor. Wenn er Frauen vernahm, hatte ich allerdings manchmal den Eindruck, dass ihm etwas Feingefühl fehlte. Aber vielleicht würde er es als erfahrener Bergsteiger schaffen, die hohe und glatte Mauer, die Monika Packer vor sich errichtet hatte, zu bezwingen.
» Wir probieren es einfach noch einmal«, sagte er aufmunternd zu mir.
Zu müde, dem noch irgendetwas entgegenzuhalten, erwiderte ich:
» Meinetwegen. Wenn du dir vorstellen kannst, eine senkrechte, 1000 Meter hohe und mit Eis überzogene Wand ohne Haken und Seil zu bezwingen, soll es mir recht sein.«
» Mach mal halblang«, antwortete Klingenfuß und lachte.
Wir legten uns eine Strategie zurecht und kamen überein, dass wir Monika Packer zur Mittagszeit zu Hause bei ihren Adoptiveltern abholen und zum örtlichen Polizeiposten verbringen, um sie in einer Räumlichkeit zu vernehmen, die sie noch nicht kannte. Zur Mittagszeit deshalb, weil das eine Zeit ist, in der die Familie üblicherweise zusammenkommt. Eine überraschende Trennung von dem schützenden Hort ihrer Adoptiveltern, so hofften wir, würde sie vielleicht ins Wanken bringen.
Am selben Morgen war Kriminaloberkommissarin Doris Gengel mit einer Kollegin unterwegs und traf zufällig den Adoptivvater der Tatverdächtigen in einer Gastwirtschaft. Ohne konkret darauf angesprochen zu werden, berichtete er, Monika habe sich ihm gegenüber dahingehend geäußert, dass sie jetzt wohl einen guten Anwalt brauche. Er habe ihr geantwortet, er würde ihr keinen Anwalt besorgen, da sie dann möglicherweise freigesprochen und dann wieder etwas passieren werde.
Auf die Frage, ob er der Meinung wäre, dass seine Adoptivtochter der Feuerteufel sei, zuckte er mit den Schultern und sagte, er würde bei ihr mit allem rechnen. Seine Frau habe schon vor Wochen festgestellt, dass mit Monika wieder etwas nicht stimme. Sie habe sich ein paarmal in ihrer Wohnung eingeschlossen und auf ihrem CD-Player immer wieder ein bestimmtes Lied angehört. Wenn sie das in der Vergangenheit gemacht habe, sei immer irgendetwas passiert. Jetzt haben sie Angst um ihr Haus, denn sie befürchten, dass Monika es anzünden könnte.
Als ich das hörte, kam in mir wieder etwas Energie zurück. Mehr noch als vorher, wurde mir bewusst, dass Monika Packer eine psychisch kranke, jedoch auch hoch gefährliche Frau war, die unbedingt aus dem Verkehr gezogen werden musste.
Erwartungsgemäß trafen wir sie bei ihren Adoptiveltern an. Sie war gerade beim Mittagessen. Ohne irgendwelche Einwände erklärte sie sich bereit, sich einer neuerlichen Vernehmung zu unterziehen.
Zehn Minuten später saßen wir mit ihr in einem kleinen Dienstzimmer und begannen mit der Vernehmung. Unsere Taktik zeigte die erhoffte Wirkung. Monika Packer schien dieses Mal nicht mehr so gefestigt zu sein. Man merkte ihr an, dass sie Halt suchte, ihn aber nicht fand. Sie tat mir unendlich leid. Dennoch hielt sie unseren Fragen über eine Stunde stand. Immer und immer wieder beteuerte sie, das Feuer nicht gelegt zu haben.
» Meinen Sie, ich bringe meinen Buben um? Ich bin doch nicht verrückt! Er war doch alles, was ich hatte!«, schrie sie weinend, als wir versuchten, sie zum wievielten Mal mit den wenigen Fakten, die wir hatten, in eine Ecke zu drängen.
» Doch, Frau Packer, Sie sind verrückt, Sie sind krank, und das wissen Sie auch«, antwortete ich. » Sagen Sie endlich die Wahrheit! Nur so können wir Ihnen helfen, nur so können wir noch Schlimmeres
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